Sinusthrombosen und Venenthrombosen des Gehirns ▷ Symptome, Diagnose und Behandlung
In diesem Artikel:
Wie der ganze Körper wird auch das Gehirn über das Herz und das arterielle Gefäßsystem, die Arterien, mit sauerstoff- und nährstoffhaltigem Blut versorgt.
Dieses Blut muss dann, ebenfalls im ganzen Körper und Gehirn, über das venöse Gefäßsystem, die Venen, wieder zum rechten Herzen gelangen und an die Lunge weitergeleitet werden.
Dort erfolgt erneut die Sauerstoffaufnahme. Anschließend wird das Blut zum linken Herzen geleitet und in die arteriellen Blutgefäße gepumpt.
Dies nennt man Blutkreislauf.
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Alle Störungen der Durchblutung, die Anteile dieses Kreislaufs beeinträchtigen seien es Arterien, Venen, die Lunge oder das Herz, werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen genannt.
Beispiele sind
- der Hirninfarkt, ein Schlaganfall durch Blutmangel (med. Ischämie) in einer Hirnregion durch den Verschluss einer hirnversorgenden Arterie oder durch ein Blutgerinnsel aus dem Herzen bei Vorhofflimmern,
- der Herzinfarkt durch den Verschluss einer Herzkranzarterie mit Blutmangel eines Herzareals,
- die Lungenembolie, ausgelöst durch abgeschwemmte Blutgerinnsel aus Bein- oder Beckenvenen
- die Venen- und/ oder Sinusthrombosen des Gehirns, welche den Abfluss des Blutes aus dem Gehirn blockieren und durch den Blutstau eine Durchblutungsstörung mit neurologischen Symptomen verursachen können.
In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit den venösen Durchblutungsstörungen des Gehirns, verursacht durch eine Thrombose von venösen Blutleitern.
Häufigkeit
Im erweiterten Sinn kann die Hirnvenen- und Sinusthrombose als Durchblutungsstörung des Gehirns den Schlaganfällen zugeordnet werden. Sie macht etwa 1 % der Schlaganfälle aus. Das jährliche Vorkommen (Inzidenz) wird auf weniger als 1:100 000 Menschen der Bevölkerung geschätzt.
Ein wesentlicher Unterschied zu den “klassischen” Schlaganfallursachen, wie dem Hirninfarkt, der Hirnblutung und der Subarachnoidalblutung, ist das nicht schlagartige, sondern schleichende Auftreten, mit oft unspezifischen Symptomen. Dies erschwert die Diagnose.
Zu den Risikogruppen gehören Schwangere und Wöchnerinnen. Frauen sind 2-4 mal häufiger betroffen als Männer. Das Durchschnittsalter liegt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.
Das Risiko, an einer Sinusthrombose zu erkranken, ist, verglichen mit der Allgemeinbevölkerung, nach einer Covid-19-Infektion etwa 100-mal höher. Auch nach einer Covid-Impfung wurden Krankheitsfälle beschrieben.2
Anatomische Grundlagen
Der Abfluss des Blutes aus dem Gehirn erfolgt zum einen über die sogenannten Sinus, die aus zwei Schichten der harten Hirnhaut gebildet werden. Dies sind der Sinus sagittalis superior, Sinus sagittalis inferior, Sinus transversus, Sinus rectus, Sinus cavernosus. Sie stehen untereinander in Verbindung.
Verbindungen bestehen auch zu Venen aus dem Gesichts- und Halsbereich. Diese venösen Verbindungen ermöglichen das Wandern oder Aufsteigen von Krankheitserregern in das Schädelinnere und können eine septische, d.h., bakteriell-entzündliche Sinusthrombose verursachen. Zum Beispiel bei einer Mittelohrentzündung.
Der Sinus sagittalis superior leitet den größten Teil des Blutes der Hirnrinde (Kortex) ab und ist am häufigsten von einer Thrombose betroffen. Die Folge der Behinderung des Blutabflusses ist ein erhöhter Hirndruck mit Kopfschmerzen.
Der Sinus transversus führt Blut aus dem Hirnstamm und Kleinhirn ab,
der Sinus cavernosus drainiert das Blut aus der Augenhöhle und vom unteren Stirn- bzw. Frontalhirn.
Die oberflächlichen und tiefen Hirnvenen sind nur selten von einer Thrombose betroffen.
Ursachen (Ätiologie)
Unterschieden werden:
Symptome
- Meistens (ca. 90 Prozent) beginnt die Erkrankung mit ungewohnten, unspezifischen Kopfschmerzen, die plötzlich oder langsam sich steigernd auftreten und sich im Liegen verstärken. Zum Teil treten auch starke Übelkeit und Erbrechen auf.
- Abhängig von der Lokalisation der Thrombose können sogenannte “Stauungsinfarkte” auftreten, also Hirninfarkte durch den verhinderten Abfluss des venösen Blutes. Auch Hirnblutungen sind möglich. Die Folge sind vielfältige neurologische Störungen: Halbseitenlähmung, Sprach- und Sprechstörungen, Sehstörungen u.v.a.
- Zerebralorganische (epileptische) Anfälle.
- Bewusstseinsstörungen
- Sehr selten kann eine Subarachnoidalblutung auftreten.
In der Akutphase sollen Patienten zur Behinderung der Blutgerinnung und damit zur Auflösung von Thromben und Verhinderung von Thrombenbildung vorzugsweise mit nierdermolekularem Heparin (NMH) statt unfraktioniertem Heparin (UFH) behandelt werden.
Nach der Akutphase Behandlung mit DOAK.
Diagnostik
Bei den oft nur schwer einzuordnenden Beschwerden und Symptomen wird die Diagnose nicht selten erst im fortgeschrittenen Stadium der Thrombose gestellt.
Das bedeutet, dass bei ungewohnten und unerklärten Kopfschmerzen oder neurologischen Symptomen, immer auch an eine zerebrale Sinus- oder Venenthrombose gedacht werden und die notwendige Diagnostik eingeleitet werden muss.
Für die Diagnose entscheidend sind die bildgebenden Verfahren der Neuroradiologie:
- Die Computertomographie (CT) des Schädels, die ohne Anwendung eines Kontrastmittels bereits Hinweise auf eine Hirnschwellung, ein Hirnödem, geben kann, auch auf venöse Stauungsblutungen in der Hirnrinde oder im Thalamus. Gelegentlich ist auch der Thrombus wegen seiner erhöhten Dichte (“cord sign”) erkennbar. Nach intravenöser Verabreichung eines jodhaltigen Röntgen-Kontrastmittels kann zum Beispiel im Sinus sagittalis superior eine Kontrastmittelaussparung erkannt werden.
- Diagnostisch zuverlässiger ist die CT-Angiographie (CTA) mit der sogenannten Spiraltechnik nach Gabe eines Kontrastmittels. Sie kann die Sinus und Venen des Gehirns darstellen und nicht durchströmte, thrombosierte Sinus- oder Venenabschnitte sichtbar machen.
- Mit der Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich sowohl das Hirngewebe als auch die Blutleiter bildgebend darstellen. Verbessert wird die diagnostische Sicherheit nach Gabe eines Kontrastmittels.
- Selten, wenn die CT- oder MRT- Befunde nicht eindeutig sind, wird eine “konventionelle Angiographie” als digitale Subtraktionsangiographie durchgeführt. Hierbei ist allerdings zur Verabreichung des Kontrastmittels das Einführen eines Katheters in eine Arterie notwendig.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach dem Einzelfall und sollte in einem Schlaganfall-Zentrum mit Stroke Unit durchgeführt werden.
Im Vordergrund steht die Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) und Verhinderung von Thrombenbildung vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin (NMH).
In Einzelfällen muss bei starker Hirnschwellung die operative Dekompression durch Entfernung eines Knochendeckels erwogen werden oder die Thrombusentfernung mittels Katheter.
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- Was ist ein Schlaganfall?
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- Wie verhalte ich mich bei Verdacht auf einen Schlaganfall?
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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