Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte) ▷ Formen, Ursachen, Behandlung
In diesem Artikel:
Definition der Hyperlipidämie
Eine Hyperlipidämie – auch als Hyperlipoproteinämie (HLP) bezeichnet – ist eine Fettstoffwechselstörung, bei der bestimmte Lipoproteine und die von ihnen transportierten Lipide (z.B. Cholesterine, Triglyzeride) im Blut erhöht sind.
Formen der Hyperlipidämie
Hypercholesterinämie
Die Erhöhung des Gesamtcholesterins im Blut wird als Hypercholesterinämie bezeichnet.
Der Referenzbereich des Gesamtcholesterins liegt im nüchternen Zustand bei < 200 bis 225 mg/dl. Bereits ab einem Wert von 200 mg/dl kann ein erhöhtes Atheroskleroserisiko bestehen. Nach der Nahrungsaufnahme ist der Wert erhöht, weshalb die Bestimmung im nüchternen Zustand durchgeführt werden sollte. Es gibt drei verschiedenen Lipoproteine, die zusammen den Gesamtcholesterinwert ausmachen:
- VLDL-Cholesterin (very low density lipoprotein),
- LDL-Cholesterin (low density lipoprotein) und
- HDL-Cholesterin (high density lipoprotein),
wobei LDL das “schlechte”, gefäßschädigende Cholesterin und HDL das “gute”, gefäßschützende Cholesterin darstellen. Somit ist nicht allein der Gesamtcholesterinwert aussagekräftig, sondern vielmehr das Verhältnis von LDL zu HDL, welches optimal < 4.0:1, bzw. bei bereits kardio-vaskulär Erkrankten < 2,5:1 betragen sollte. Somit sollten die Referenzwerte für LDL < 160 mg/dl und die für HDL > 35 mg/dl bei noch nicht Erkrankten betragen. Der Referenzwert für VLDL (als sog. „LDL-Vorstufe“) sollte bei Gesunden deutlich unter 30 mg/dl liegen.
LDL -> schlechtes Cholesterin -> Lass Das Lieber
HDL -> gutes Cholesterin -> Hat Dich Lieb
Hypertriglyzeridämie
Eine Hyperlipidämie, bei der hauptsächlich die Triglyzeride erhöht sind, bezeichnet man auch als Hypertriglyzeridämie.
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Der Referenz- bzw. Normalbereich für Triglyzeride im Blut liegt im nüchternen Zustand zwischen < 150 und 200 mg/dl. Nach der Nahrungsaufnahme kann dieser Wert überschritten werden, weshalb die Bestimmung auch hier im nüchternen Zustand durchgeführt werden sollte.
Kombinierte Hyperlipidämie
Sind sowohl Cholesterin- als auch Triglyzeridwerte im Blut erhöht, so spricht man von einer kombinierten Hyperlipidämie. Auch hier gelten die oben genannten Referenzbereiche.
Ursachen und Auslöser
Primäre Hyperlipoproteinämien
Die sog. primären Hyperlipidämien werden durch genetische Defekte hervorgerufen. Sie führen zu einer verminderten Synthese oder gestörten Funktion des betreffenden Proteins oder dessen Rezeptors. Primäre Hyperlipoproteinämien werden mit den unterschiedlichsten Mustern vererbt; selten können sie auch durch Spontanmutationen entstehen.
Die Ausprägung einer primären, also vererbten Stoffwechselstörung kann zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden, manchmal sogar erst nach einigen Jahrzehnten.
Der Erbgang ist ebenso zu beachten, insb. bei der Familienplanung betroffener Patienten. Die Schwere der Symptomatik ist davon abhängig, ob ein mischerbiger (heterozygoter), reinerbiger (homozygoter) oder durch mehrere Gene bedingter (polygener) Defekt vorliegt.
Je nach erhöhter Lipoproteinfraktion werden die primären Hyperlipoproteinämien traditionell nach Fredrickson8 in fünf Typen eingeteilt:
- HLP Typ 1: familiäre Hyperchylomikronämie (Chylomikronen sind Lipoproteinpartikel, die insbesondere dem Transport von Triglyceriden dienen)
- HLP Typ 2: familiäre Hyperlipidämie: Typ 2a mit isolierter Erhöhung von LDL, Typ 2b mit zusätzlich leicht erhöhten Triglyceriden
- HLP Typ 3: familiäre Dysbetalipoproteinämie mit hohen Cholesterinen und Triglyceriden, die von Lipoproteinen intermediärer Dichte (IDL) transportiert werden
- HLP Typ 4: familiäre Hypertriglyzeridämie
- HLP Typ 5: kombinierte Hyperlipidämie
Die Fredrickson-Klassifikation wird heutzutage zunehmend durch die Einteilung nach molekulargenetischen Gesichtspunkten ersetzt.
Zu den wichtigsten primären Hyperlipoproteinämien gehören demnach:
- Familiäre kombinierte Hyperlipoproteinämie (Häufigkeit ca. 1/100)
- Familiäre Hypertriglyzeridämie (Häufigkeit ca. 1 bis 2/100)
- Familiäre Hypercholesterinämie (Häufigkeit ca. 1 bis 2/500)
- Familiäre Hyperchylomikronämie
- Familiäre Dysbetalipoproteinämie
sowie
- ApoA-V-Mangel
- Cholesterinester-Speicherkrankheit
- GPIHBP1-Mangel
- Hepatische-Lipase-Mangel
- Lipodystrophie
- Sitosterolämie
Aufgrund der geringen Häufigkeit der sechs letztgenannten Erkrankungen verzichten wir an dieser Stelle auf eine genaue Darstellung.
Sekundäre Hyperlipoproteinämien
Sekundäre, also erworbene Hyperlipidämien sind letztlich Folgen anderer Erkrankungen bzw. “ungesunder” Lebensweisen.
Die häufigsten Auslöser dafür sind:
Aus dem Fettgewebe werden vermehrt freie Fettsäuren zur Leber transportiert, wo sie zu Triglyzeriden umgewandelt und mit VLDL abgegeben werden.
Außerdem erhöht das durch die Blutzuckererhöhung anfänglich erhöhte Insulin (sog. Hyperinsulinämie) die Fettsäuresynthese in der Leber und die Insulinresistenz reduziert die Aktivität des Enzyms Lipoproteinlipase (LPL), sodass es zur Hypertriglyzeridämie kommt.
Die Folgen sind erhöhte Blutspiegel der Triglyzeride, ein Absinken des HDL-Cholesterins und ein steigender, aber anfänglich noch hochnormaler Blutspiegel des LDL-Cholesterins.
Folgen einer Hyperlipidämie
Durch die erhöhten Blutfettwerte kommt es zu Ein- bzw. Ablagerungen von fetthaltigen Substanzen (Plaques) vornehmlich in den zwei inneren Schichten der arteriellen Gefäßwände, was zu Verengungen von Gefäßen bzw. zu kompletten Gefäßverschlüssen führt.
Häufige Folgen sind vor allem Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Verengung der Halsschlagadern (Karotisstenose), die zusammen über 40 % der Haupttodesursachen in Deutschland ausmachen.
Diagnostik einer Hyperlipidämie
Grundsätzlich sollten die Blutfettwerte nach 12-stündiger Nahrungskarenz gemessen werden. Zu den Basisparametern zählen Triglyzeride, Gesamtcholesterin, LDL und HDL.
Gesamtcholesterin und Triglyzeride werden meist enzymatisch bestimmt. Anschließend wird das HDL durch eine sog. Ausfällung gemessen. VLDL wird mittels Division der Triglyzeridwerte durch 5 berechnet. Zuletzt kann LDL mittels der sog. Friedewald-Formel9 errechnet werden:
LDL = Gesamtcholesterin – VLDL – HDL
Die Friedewald-Formel sollte allerdings bei Triglyzeridwerten über 400 mg/dl nicht verwendet werden. In diesem Fall kommen direkte Messungen des LDL zur Anwendung.
Sofern veränderte Blutfettwerte bestimmt worden sind, können weitere Untersuchungen zum Ausschluss sekundärer Ursachen notwendig sein:
- Nüchternblutzucker bei Hypertriglyzeridämie zum Ausschluss eines Diabetes mellitus
- Proteinausscheidung im Sammelurin und Bestimmung des Serumkreatinins bei Vorliegen eines nephrotischen Syndroms oder einer chronischen Niereninsuffizienz
- Leberfunktionstests bei Verdacht auf Hepatitis oder Gallenstauung (Cholestase)
- Serum-TSH zum Ausschluss einer Schilddrüsenunterfunktion
Primäre Fettstoffwechselstörungen werden durch Familienanamnese, Lipidanalyse bei Familienangehörigen und molekulargenetische Untersuchungen mit Nachweis von Gendefekten diagnostiziert.
Therapie der Hypercholesterinämie
Nichtmedikamentöse Therapie
Regelmäßiges körperliches Training führt zu einer LDL- und Triglyzeridsenkung, sowie zu einer HDL-Erhöhung und zu weiteren positiven Effekten auf Begleiterkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus.
Eine ausgewogene Ernährung wirkt ebenfalls atheroskleroseschützend, insbesondere durch eine LDL-Senkung. Empfohlen wird u.a.:
- Reduktion der Nahrungsfette auf < 30 % der Gesamtkalorien
- Meidung von gesättigten tierischen Fetten
- Bevorzugung pflanzlicher Fette mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie regelmäßiger Konsum von Nahrungsmitteln mit hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren (z.B. dunkelgrünes Gemüse, Nüsse, Seefisch)
- Eiweiß: mind. 15 % der Gesamtkalorien
- Ballaststoffe: 20 bis 30 g/Tag
Reduzierung des Übergewichts
Medikamentöse Therapie
Die Indikation zur medikamentösen Therapie richtet sich nach dem LDL-Wert und dem kardiovaskulären Risiko. Bei monogenetischer Hypercholesterinämie oder gesicherter kardiovaskulärer Krankheit sollte frühzeitig begonnen werden. Je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto größer der Nutzen der lipidsenkenden Therapie.
Dabei gelten Statine (z.B. Atorvastatin, Lovastatin, Simvastatin) als Cholesterinsenker der ersten Wahl. Bei Unverträglichkeit können Cholesterin-Resorptionshemmer (z.B. Ezetimib) oder alternativ sog. Austauscherharze (z.B. Cholestyramin) eingesetzt werden.
Ist eine Monotherapie nicht ausreichend, wird die Kombination eines Statins mit Ezetimib empfohlen. Ferner können auch Statine mit einem Fibrat (z.B. Fenofibrat) verabreicht werden.
Lipidapherese
Kann eine LDL-Senkung nicht durch Lebensstiländerung und medikamentöse Therapie erreicht werden, existieren „maschinelle“ Verfahren zur Elimination von LDL aus dem Plasma oder aus dem Vollblut (z.B. durch Lipid- bzw. Lipoproteinapherese).
Hierbei handelt es sich um ein extrakorporales, d.h. außerhalb des Körpers stattfindendes Blutreinigungsverfahren, welches bei verschiedenen schweren und meist angeborenen Fettstoffwechselstörungen zum Einsatz kommt. Dabei werden atherogene Risikofaktoren wie LDL, aber auch Triglyceride etc. vom Blut getrennt.
Therapie der Hypertriglyzeridämie
Im Allgemeinen besteht die Indikation einer Therapie ab Triglyzeridwerten von > 500 mg/dl, um das Risiko einer akuten Pankreatitis zu reduzieren. Das Risiko von atherosklerotischen Krankheiten bei Hypertriglyzeridämie ist umstritten, jedoch sollte bei sehr hohem kardiovaskulärem Risiko und Nüchterntriglyzeriden von über 200 mg/dl eine Pharmakotherapie erwogen werden.
Nichtmedikamentöse Therapie
Grundsätzlich wird, wie auch bei der Hypercholesterinämie, initial eine Lebensstiländerung empfohlen. Dabei gelten u.a. folgende Besonderheiten:
- strengere Alkoholkarenz
- deutlichere Gewichtsreduktion
- Reduktion der Gesamtfettmenge anfänglich auf maximal 30 % der Gesamtkalorien
- sog. Einfachzucker (Mono- und Disaccharide) meiden und stattdessen komplexe Kohlenhydrate bevorzugen
Medikamentöse Therapie
Weiterhin ist eine medikamentöse Therapie in vielen Fällen nötig. Hierbei werden insbesondere folgende Lipidsenker bzw. Präparate eingesetzt:
- Fibrate (z.B. Bezafibrat, Fenofibrat)
- Kombinationstherapie aus Fibrat und Statin
- Omega-3-Fettsäure-Präparate
Anmerkung: Bei den zuvor genannten Präparatenamen handelt es sich um Wirkstoffbezeichnungen. Diese sind nicht identisch mit den Handelsnamen.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Diederich S, Feldkamp J, Grußendorf M, Reincke M. (Hrsg.): Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Thieme, 2020. ISBN: 9783132408272.
- The underwhelming German life expectancy – Autoren: Jasilionis D, van Raalte AA, Klüsener S; Grigoriev P (2023) – Publikation: European Journal of Epidemiology 38(8): 839–850 – DOI: 10.1007/s10654-023-00995-5
- Familial Hypercholesterolemia – Developments in Diagnosis and Treatment – Autoren: Klose G, Laufs U, März W, Windler E – Publikation: Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 523-9 – DOI: 10.3238/arztebl.2014.0523
- Schneider J, Steinmetz A, Kaffarnik H (Hrsg.): Hyperlipoproteinämie. Springer Berlin, 1992. ISBN 978-3-540-55968-9
- Schwandt P., Parhofer K G: Handbuch der Fettstoffwechselstörungen: Dyslipoproteinämien und Atherosklerose: Diagnostik, Therapie und Prävention. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Schattauer, 2006. ISBN: 9783794523702.
- Steinhagen-Thiessen E, Kassner U: Störungen des Lipoproteinmetabolismus. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag; 2016. ISBN: 978-3-940615-50-3.
- Van de Loo I, Harbeck B: Facharztwissen Endokrinologie und Diabetologie: Klinik, Diagnostik, Therapie. Springer, 2020. ISBN: 366258896X.
- Donald Sharp Fredrickson (1924-2002), US-amerik. Physiologe, entwickelte in den 1960er-Jahren die Einteilung von Hyperlipoproteinämien
- William Friedewald (*1939), amerikanischer Arzt, der sich u.a. mit der Unterteilung der Cholesterin-Untereinheiten beschäftigt hat