Wie leben wir länger? ▷ Risikofaktoren und Lebenserwartung

Die Vermeidung von Risikofaktoren kann das Leben erheblich verlängern
In diesem Artikel:
- Das Wichtigste in Kürze
- Hintergrund
- Durchführung der Studie
- Definition der Risikofaktoren
- Studienergebnisse
- Risikofaktoren im Griff: Tipps für ein langes Leben
- Schlussfolgerung
Das Wichtigste in Kürze:
Für alle, die gleich in die Tiefe gehen und mehr wissen möchten: Hier geht es zur ausführlichen Version des Artikels.Fünf klassische Risikofaktoren sind maßgeblich an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt:
Ob das Vorliegen dieser Risikofaktoren auch unsere Lebenserwartung verkürzt, hat ein internationales Forscherteam unter deutscher Federführung untersucht.1
Genutzt wurden bereits erhobene Daten aus abgeschlossenen Studien. Die individuellen Patientendaten von 2 Millionen Studienteilnehmenden ab 18 Jahren aus verschiedenen Gruppen zeigten, dass sich ein gesunder und aktiver Lebensstil in Kombination mit Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen lohnt. Denn durchschnittlich können Menschen durch Vermeidung dieser 5 Risikofaktoren ihre Lebenserwartung um mehr als zehn Jahre verlängern.
Bei gleichzeitigem Vorliegen aller fünf Risikofaktoren betrug das relative Risiko, im Laufe des Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, für Frauen 24 Prozent und für Männer 38 Prozent.
Weiteres Ergebnis: Bei Vermeidung oder frühzeitiger Behandlung der Risikofaktoren treten auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchschnittlich später auf. Personen ohne diese Risikofaktoren lebten 13,3 Jahre (Frauen) beziehungsweise 10,6 Jahre (Männer) länger.
Die Lebenserwartung von Personen mit allen Risikofaktoren hingegen sank insgesamt durchschnittlich um 14,5 Jahre (Frauen) und um 11,8 Jahre (Männer).
Eine Senkung des Bluthochdrucks im Alter von 55 bis 60 Jahren ist mit der deutlichsten Verlängerung von Lebensjahren ohne Herz-Kreislauf-Erkrankung verbunden. Ein Rauchverzicht mit der deutlichsten Erhöhung der Lebenserwartung.
Risikofaktoren im Griff: Tipps für ein langes Leben
- Halten Sie Ihren Blutdruck unter 120/70 mmHg: durch regelmäßige Bewegung, reduzierten Salzgenuss und effiziente Strategien zur Stressbewältigung.
- Achten Sie auf Ihre Blutfette: Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit überwiegend unverarbeiteten Lebensmitteln, regelmäßige Bewegung und eine Gewichtsreduktion sind häufige Schlüssel zum Erfolg.
- Streben Sie einen Body-Mass-Index von 18,5 und 24,9 kg/m² an.
- Behalten Sie Ihren Blutzucker im Auge: Der Nüchtern-Blutzucker sollte unter 100 mg/dL (5,6 mmol/L) liegen, der Langzeit-Blutzucker HbA1c unter 5,7 Prozent (39 mmol/mol) sein. Achten Sie vor allem auf versteckten Zucker in hochverarbeiteten Lebensmitteln.
- Schränken Sie das Rauchen ein oder werden Sie idealerweise rauchfrei.
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Hintergrund
Ungefähr die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit sind auf nur fünf klassische Risikofaktoren zurückzuführen: Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht beziehungsweise Adipositas, Diabetes mellitus und Rauchen. Doch verkürzt das Vorliegen dieser Risikofaktoren auch unsere Lebenserwartung? Damit setzte sich ein internationales Forscherteam unter deutscher Federführung auseinander.1
Durchführung der Studie
Bei der Studie handelt es sich um eine retrospektive zusammenfassende Auswertung individueller Patientendaten. Sie basiert also auf bereits erhobenen Daten von abgeschlossenen Studien mit verschiedenen Gruppen von Studienteilnehmenden. Diese bezeichnet man in der klinischen Forschung als Kohorten.
Die Daten aus den unterschiedlichen Studien wurden harmonisiert, das heißt, in eine einheitliche Struktur gebracht.
Die Daten stammen von:
- über 2 Millionen Studienteilnehmenden ab 18 Jahren
- aus 133 Kohorten
- von 39 Ländern auf 6 Kontinenten
Im Rahmen der Analyse untersuchten die Wissenschaftler, ob im Alter von 50 Jahren folgende Risikofaktoren einzeln oder in Kombination vorlagen:
- Bluthochdruck
- Fettstoffwechselstörungen
- Untergewicht beziehungsweise Übergewicht/Adipositas
- Diabetes mellitus
- Rauchen
Darauf basierend schätzten sie das Lebenszeitrisiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zum Alter von 90 Jahren. Sie sagten zudem das Risiko für den ursachen-unabhängigen Tod ausgehend von diesen Daten voraus.
Definition der Risikofaktoren für die Studie
Ein Blutdruck ab einem systolischen (oberen) Blutdruckwert von 130 mmHg wurde als arterieller Bluthochdruck eingestuft.
Eine Fettstoffwechselstörung wurde durch einen Non-HDL-Cholesterinwert von 130 mg/dL (3,4 mmol/L) oder mehr definiert. Non-HDL umfasst alle Cholesterinarten außer dem HDL (high density lipoprotein)-Cholesterin und wird in der Praxis auch zur Einschätzung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt.
Als übergewichtig oder adipös galten Studienteilnehmende ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 oder mehr.
Das Forschungsteam ging von einem Diabetes mellitus aus, wenn dieser bereits ärztlich in der Vorgeschichte festgestellt worden war, die Person selbst davon berichtete oder bei der Eingangsuntersuchung in der Studie entsprechend hohe Blutzuckerwerte gemessen wurden.
Rauchen galt in der Studie als regelmäßiger, mindestens einmal täglich oder gelegentlicher Konsum über Zigaretten, Zigarren, Zigarillos oder Pfeife.
Das Forschungsteam berechnete darüber hinaus, wie viele zusätzliche Jahre Menschen ohne Risikofaktoren im Vergleich zu Menschen mit einem oder mehreren dieser Risikofaktoren erwarten können. Weiterhin untersuchten sie, wie sich im Verlauf des Lebens auftretende Veränderungen in den Risikofaktoren auf die Lebenserwartung auswirken.
Ergebnisse der Studie
Bei gleichzeitigem Vorliegen aller fünf Risikofaktoren betrug das relative Risiko, im Laufe des Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, für Frauen 24 Prozent und für Männer 38 Prozent.
Verglichen mit Personen des gleichen Geschlechts, die alle fünf Risikofaktoren haben, lebten Personen ohne diese Risikofaktoren 13,3 Jahre (Frauen) beziehungsweise 10,6 Jahre länger (Männer), ohne eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Die Lebenserwartung sank bei Frauen mit allen Risikofaktoren insgesamt durchschnittlich um 14,5 Jahre im Vergleich zu Frauen ohne Risikofaktoren. Bei den Männern verkürzte sich die Lebenszeit bei Vorhandensein aller Risikofaktoren um 11,8 Jahre verglichen mit risikofaktorfreien Männern.
Bei Studienteilnehmenden mit allen fünf Risikofaktoren führte eine Verbesserung der Blutdruckwerte im Alter von 55 bis 60 Jahren zu den meisten zusätzlichen Lebensjahren ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen traten bei Frauen, die ihren Blutdruck in diesem Alter erfolgreich senkten, durchschnittlich 2,4 Jahre später auf. Bei Männern führte die Blutdrucksenkung im Alter von 55 und 60 Jahren dazu, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Schnitt 1,2 Jahre später auftraten.
Ein Rauchverzicht ist mit der stärksten Verbesserung der Lebenserwartung verbunden. Männer lebten durchschnittlich 5,1 Jahre länger, wenn sie das Rauchen aufgaben. Frauen durften durchschnittlich 5,6 Lebensjahre mehr erwarten. Frauen mit normalen Blutzuckerwerten hatten eine um 6,4 Jahre längere Lebenserwartung als von Diabetes betroffene Frauen. Bei Männern verkürzte das Vorliegen eines Diabetes die Lebenserwartung um 5,8 Jahre.
Das Vermeiden der 5 klassischen Risikofaktoren erhöht die Lebenserwartung.1
Risikofaktoren im Griff: Tipps für ein langes Leben
- Halten Sie Ihren Blutdruck unter 120/70 mmHg: Regelmäßige Bewegung, reduzierter Salzgenuss und effiziente Strategien zur Stressbewältigung können dabei helfen. Bei erhöhten Blutdruckwerten ist eine frühzeitige Therapie mit blutdrucksenkenden Medikamenten sinnvoll.
- Achten Sie auf Ihre Blutfette: Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit überwiegend unverarbeiteten Lebensmitteln, regelmäßige Bewegung und eine Gewichtsreduktion sind häufige Schlüssel zum Erfolg. Auch die medikamentöse Senkung der Blutfette kann in einigen Fällen notwendig sein, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
- Streben Sie einen Body-Mass-Index von 18,5 und 24,9 kg/m² an: Auch hier sind regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung das A und O. Ein Taillenumfang von unter 80 cm für Frauen und 94 cm für Männer ist erstrebenswert.
- Behalten Sie Ihren Blutzucker im Auge: Der Nüchtern-Blutzucker sollte unter 100 mg/dL (5,6 mmol/L) liegen, der Langzeit-Blutzucker HbA1c unter 5,7 Prozent (39 mmol/mol) sein. Achten Sie vor allem auf versteckten Zucker in hochverarbeiteten Lebensmitteln.
- Schränken Sie das Rauchen ein oder werden Sie idealerweise rauchfrei: Jede Zigarette weniger erhöht Ihre Lebenserwartung. Dasselbe gilt natürlich auch für Zigarren, Zigarillos, Pfeife und anderen Tabakgenuss. Es lohnt sich.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Alle Menschen – auch Personen ohne klassische Risikofaktoren – haben ein gewisses Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Fünf klassische Risikofaktoren erhöhen das Risiko allerdings deutlich und senken die Lebenserwartung erheblich:
- Bluthochdruck
- Fettstoffwechselstörungen
- Untergewicht beziehungsweise Übergewicht/Adipositas
- Diabetes mellitus
- Rauchen
Studienteilnehmende ohne diese klassischen Risikofaktoren lebten durchschnittlich über zehn Jahre länger als Studienteilnehmende mit allen fünf Risikofaktoren. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, diese Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Reicht eine Anpassung des Lebensstils dazu nicht aus, sollte nach Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden.
Frauen scheinen von der Abwesenheit und der aktiven Verbesserung der klassischen fünf Risikofaktoren in der Regel stärker zu profitieren als Männer. Dennoch ist es für Männer und Frauen gleichermaßen sinnvoll, Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und aktiv zu reduzieren.
Auch wenn die Risikofaktoren Bluthochdruck und Rauchen den größten Einfluss auf die Lebenserwartung und das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie den Schlaganfall haben, spielen die anderen drei Risikofaktoren ebenfalls eine wichtige Rolle.
Die Studie zeigt, welche Tragweite das Vorliegen der fünf klassischen Risikofaktoren für unsere Gesundheit hat.
Sie zeigt aber auch, dass nicht nur die Vermeidung, sondern auch die Beseitigung der Risikofaktoren sehr viel bewirken kann. Sogar junge Senioren im Alter von 55 bis 60 Jahren haben noch Einfluss auf ihre Lebenserwartung.
Ein gesunder Lebensstil zahlt sich immer aus.
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Autoren
Dipl.-Biol. Claudia Helbig unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Claudia Helbig ist Diplom-Human- und Molekularbiologin und hat zuvor eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Biochemie und Molekularbiologie hat sie Medizinstudenten in Pathobiochemie-Seminaren und Praktika betreut. Nach Ihrer Arbeit in der pharmazeutischen Forschung hat sie in einem Auftragsforschungsinstitut für klinische Studien unter anderem Visiten mit Studienteilnehmern zur Erhebung von Studiendaten durchgeführt und Texte für die Website verfasst. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund und ihrer Leidenschaft zu schreiben möchte sie naturwissenschaftliche Inhalte fachlich fundiert, empathisch und verständlich an Interessierte vermitteln. [mehr]
Quelle zur Studie
- Global Effect of Cardiovascular Risk Factors on Lifetime Estimates – Autoren: The Global Cardiovascular Risk Consortium (Christina Magnussen, M.D.; Jesus Alegre-Diaz, M.D.; Lubna A. Al-Nasser, Ph.D. et al.) – Publikation: N Engl J Med. Published online March 30, 2025 – DOI: 10.1056/NEJMoa2415879