Wie Lebensereignisse und soziale Isolation das Schlaganfallrisiko beeinflussen ▷ Studie
In diesem Artikel:
- Wie wirken sich Lebensereignisse und soziale Isolation auf den Körper aus?
- Auswirkung von Lebensereignissen und sozialer Isolation auf Schlaganfall-Ereignisse
- Besonders anfällige Menschen
- Was lässt sich dagegen tun?
Die Corona-Pandemie stellt unser aller Leben mit unterschiedlichen Herausforderungen und Einschränkungen auf den Kopf. Home-Office, eine reduzierte Anzahl an sozialen Kontakten und Online-Termine bestimmen inzwischen den Alltag.
Viele Menschen leiden unter sozialer Isolation, insbesondere diejenigen, die alleine leben. Solche Lebensumstände verursachen sozialen Stress, der sich körperlich bemerkbar macht. Aber auch unabhängig von Corona gibt es Ereignisse im Leben, wie beispielsweise eine Trennung oder ein Umzug, die sich auf den Körper und die Gesundheit auswirken.
Bereits frühere Studien konnten beobachten, dass Menschen diesen Stress umso stärker empfinden, je mehr sich der Alltag durch die Lebensumstände verändert. Dabei scheint es egal zu sein, ob das Ereignis erwünscht oder unerwünscht ist.2
Doch wie genau macht sich dieser Stress auch körperlich bemerkbar? Erhöht der Stress das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Die Antwort auf diese Fragen fasst die Studie von Gronewold und Mitarbeitern zusammen.
Wie wirken sich Lebensereignisse und soziale Isolation auf den Körper aus?
Lebensereignisse und soziale Isolation aktivieren Alarmzentren im Gehirn. Werden diese Alarmzentren im Hirnstamm des Gehirns durch den Stress mobilisiert, wird das sympathische Nervensystem aktiviert, was beispielsweise durch eine erhöhte Herzfrequenz und damit einen schnelleren Puls zum Ausdruck kommt.
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Die “Stresshormone” Adrenalin und Cortisol werden vermehrt ausgeschüttet. Dadurch werden wir kurzfristig widerstandsfähiger und energiegeladener. Wenn der Stress aber über eine längere Zeit anhält, kann er sich auf viele Körperfunktionen negativ auswirken.
Der Blutdruck, aber auch die Blutbeschaffenheit – wie beispielsweise die Fließeigenschaft des Blutes – verändern sich. Dies sind wichtige Faktoren für die Herz-Kreislauf-Gesundheit.
Akuter und chronischer Stress führen auch zu höheren Blutfettwerten und Blutzuckerwerten, die sich als Risikofaktoren für Schlaganfälle und Herzinfarkte ebenfalls negativ auf unsere Herz-Kreislauf-Gesundheit auswirken.
Der erhöhte Cortisonspiegel stellt dem Körper in stressigen Situationen zwar ausreichend Energie zur Verfügung. Diese führt aber auch zu körperlichen Veränderungen und damit zu Risikofaktoren wie beispielsweise Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Depressionen.
Diese Einflüsse und die soziale Isolation führen dazu, dass der Körper die natürliche Stressantwort fehlreguliert.
Das bedeutet, dass sich der Körper schlechter an “kleine” Stresssituationen anpassen kann. Folglich reagiert der Körper bei kleineren Stressauslösern über. Diese ständige und überschießende Stressantwort führt dann zu erhöhten Entzündungswerten und die Gefäßgesundheit verschlechtert sich. Das kann wiederum zu Arteriosklerose – also der Arterienverkalkung – führen.
Außerdem fördert chronischer Stress gesundheitsschädliches Verhalten, wie das Rauchen, den Missbrauch von Alkohol und geringe sportliche Betätigung. Der Appetit auf hochkalorische Nahrungsmittel mit einem hohen Fett- und Zuckergehalt verstärkt sich und diese Nahrungsmittel werden dann als Folge vermehrt verzehrt.
Auswirkung von Lebensereignissen und sozialer Isolation auf Schlaganfall-Ereignisse
Lebensereignisse
Personen, die viel Stress ausgesetzt sind oder empfinden, haben laut einem Forschungsbericht ein über 30 Prozent höheres Risiko für einen Schlaganfall. Das Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall, also eine Hirnblutung, ist für Personen mit einem stressreichen Leben sogar 73 Prozent höher.3
Soziale Isolation
Eine Studie konnte zeigen, dass Personen, die einsam oder sozial isoliert sind, häufiger einen Schlaganfall erleiden.4
Eine weitere Studie unterschied zwischen dem Effekt von qualitativen und quantitativen Aspekten sozialer Beziehungen. Das Maß der qualitativen Beziehungen richtet sich nach dem persönlichen Empfinden der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen. Dazu gaben die Versuchspersonen beispielsweise an, wie unterstützt sie sich in ihren Beziehungen fühlen. Der quantitative Aspekt umfasst die Anzahl und Häufigkeit sozialer Kontakte.
Interessanterweise war der Mangel an quantitativen Beziehungen, also die Anzahl und Häufigkeit sozialer Kontakte, mit einer niedrigeren Rate von Schlaganfällen verbunden.5
Besonders anfällige Menschen
Die Mehrheit der Studien zeigte deutlich, dass jüngere Menschen vermehrt Stress aufgrund vorangegangener Lebensereignissen empfinden.
Darüber hinaus reagieren jüngere Menschen eher mit einem schädlichen Gesundheitsverhalten, wie beispielsweise dem Rauchen. Dahingegen scheinen ältere Menschen körperlich stärker auf Lebensereignisse zu reagieren, wie beispielsweise mit einem erhöhten Blutdruck, der wiederum die Arteriosklerose – vor allem der hirnversorgenden Arterien und der Herzkranzarterien – fördert.
Allgemein lässt sich beobachten, dass junge Erwachsene und Senioren am häufigsten mit sozialer Isolation zu kämpfen haben. Das ist darauf zurückzuführen, dass Menschen im mittleren Alter seltener allein leben. Sie verspüren weniger das Gefühl der sozialen Isolation. Außerdem scheinen Partnerschaften vor Stress zu schützen.
Auch die sexuelle Orientierung hat Auswirkungen. Diejenigen, die sich nicht als heterosexuell definieren, leiden häufig unter der Stigmatisierung ihrer sexuellen Orientierung. Häufiger als Heterosexuelle erleben sie die Abwendung der eigenen Familie, haben öfter Schwierigkeiten bei der Partnersuche und leben häufiger allein. Der Mangel an sozialer Integration kann die mentale und körperliche Gesundheit erheblich beeinträchtigen.
Entscheidend für den Umfang der körperlichen Auswirkungen ist die mentale Gesundheit nach einem einschneidenden Lebensereignis. So zeigte sich in einigen Studien, dass stressbelastete Lebensereignisse bei Personen, die anschließend psychiatrisch erkrankten, stärker mit Arteriosklerose verbunden sind. Dies erklären sich die Autoren der Studie mit der darauffolgenden Stressreaktion im Körper.
Was lässt sich dagegen tun?
Die Autoren plädieren dafür, dass sich Ärztinnen und Ärzte nach schwerwiegenden Lebensereignissen erkundigen sollten. Dies bezieht sich insbesondere auf die soziale Isolation. Dadurch entsteht ein umfassendes Bild von der Gesamtsituation. Es können dann hilfreiche Empfehlungen gegeben und Behandlungsmöglichkeiten angesprochen werden. Auch psychosoziale Umstände sollten berücksichtigt werden.
Auf der persönlichen Ebene ist es besonders in Krisenzeiten wie der Pandemie wichtig, auf das eigene Wohlbefinden zu achten. Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditationen wirken dem akuten, aber auch dem chronischen Stress entgegen. Zudem ist es möglich, Angehörige und Freunde virtuell, also über das Internet, in sogenannten Web-Meetings zu treffen.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von Marieke Theil, M.Sc.
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Effects of Life Events and Social Isolation on Stroke and Coronary Heart Disease – Autoren: Gronewold Janine, Engels Miriam, van de Velde Sarah, Cudjoe Thomas Kofi Mensah, Duman Ela-Emsal, Jokisch Martha et al. – Publikation: Stroke, 52.2 (2021), 735–47 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.120.032070
- The Social Readjustment Rating Scale – Autoren: Holmes, Thomas H., Richard H. Rahe – Publikation: Journal of Psychosomatic Research, 11.2 (1967) – DOI: 10.1016/0022-3999(67)90010-4
- Evidence of Perceived Psychosocial Stress as a Risk Factor for Stroke in Adults: A Meta-Analysis – Autoren: Booth, Joanne, Lesley Connelly, Maggie Lawrence, Campbell Chalmers, Sara Joice, Clarissa Becker et al. – Publikation: BMC Neurology, 15.1 (2015), 233 – DOI: 10.1186/s12883-015-0456-4
- Social Isolation and Loneliness as Risk Factors for Myocardial Infarction, Stroke and Mortality: UK Biobank Cohort Study of 479 054 Men and Women – Autoren: Hakulinen, Christian, Laura Pulkki-Råback, Marianna Virtanen, Markus Jokela, Mika Kivimäki,Marko Elovainio – Publikation: Heart, 104.18 (2018), 1536–42 – DOI: 10.1136/heartjnl-2017-312663
- Social Network, Social Support, and Risk of Incident Stroke – Autoren: Nagayoshi Mako, Everson-Rose Susan A., Iso Hiroyasu, Mosley Thomas H., Rose Kathryn M., Lutsey Pamela L. – Publikation: Stroke, 45.10 (2014), 2868–73 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.114.005815