Autofahren nach dem Schlaganfall
Nach dem Schlaganfall: Die Rückkehr in den Straßenverkehr muss gut vorbereitet werden (Foto: Skitterphoto | Pixabay)
In diesem Artikel:
- Medizinische Ausgangslage
- Wie ist die Rechtslage?
- Wege zurück in den Straßenverkehr
- Das Fahrzeug umrüsten
- Kosten
- Checkliste für Schlaganfall-Patienten
Autofahren ist ein Ausdruck persönlicher Freiheit. Umso gravierender ist ein Fahrverbot, es wird als tief einschneidende Einschränkung empfunden.
Das sollte von der persönlichen Umgebung des Betroffenen, von Betreuern und beratenden Ärzten besonders in der Phase der Rehabilitation beherzigt werden.
Das bedeutet aber auch, dass alle Anstrengungen unternommen werden sollten, nach einer Erkrankung die Fahrtüchtigkeit wieder herzustellen. Vor allem bei einer Erkrankung, die häufig eine körperliche Einschränkung bzw. Behinderung hinterlässt.
Menschen stellen sich nach einem Schlaganfall häufig die Frage, ob sie wieder Autofahren dürfen oder können:
- Schaffe ich es, wieder sicher Auto zu fahren?
- Ist es erlaubt, Auto zu fahren?
- Was ist, wenn ich einen erneuten Schlaganfall erleide?
Ob und wann Menschen nach einem Schlaganfall wieder fahrtauglich sind, ist von Fall zu Fall verschieden und hängt von der Schwere der Einschränkungen ab. Die Entscheidung, ob Fahrtauglichkeit vorliegt, wird sorgfältig zwischen Arzt, Patient und seinen Angehörigen abgewogen.
Medizinische Ausgangslage
Betroffene mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung sind für die Entscheidung verantwortlich, ob eine uneingeschränkte Fahrtüchtigkeit besteht, ohne dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Eine vorgegebene Dauer der Fahrkarenz nach dem Schlaganfall existiert somit im Allgemeinen nicht.
Körperliche Einschränkungen sind beispielsweise eine Lähmung eines Armes oder Beines und Sehstörungen.
Bei geistigen Einschränkungen handelt es sich beispielsweise um eine Orientierungslosigkeit oder eine Aufmerksamkeitsstörung. Auch Schwindel und Kopfschmerzen können das Fahrverhalten beeinflussen.
Neben den Folgen des Schlaganfalls können auch andere Faktoren die Fahrtauglichkeit einschränken:
- Medikamente, die sich auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken
- nach einem epileptischen Anfall wird der Arzt entscheiden, wie lange auf das Lenken eines PKW verzichtet werden muss
Generell ist eine Fahreignung erst wieder gegeben, genauer gesagt Patienten dürfen erst dann ein Fahrzeug fahren, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Rezidives gering ist.
Wenn Betroffene Fahrgast- und Personenbeförderungsmittel oder auch LKW fahren, besteht im Regelfall nach dem Schlaganfall eine fehlende Fahreignung für diese Gruppe, da ein erhöhtes Risiko eines erneuten Schlaganfalls vorhanden ist.1
Wie ist die Rechtslage?
In Deutschland besteht für den Schlaganfall weder für den Patienten noch den Arzt eine allgemeine Meldepflicht.2 Jedoch ist gesetzlich geregelt, dass jeder Autofahrer selbst die Verantwortung für seine Teilnahme am Straßenverkehr trägt.3
Der behandelnde Arzt ist jedoch dazu verpflichtet, dass betroffene Patienten über den Umfang der Risiken des Autofahrens nach dem Schlaganfall aufgeklärt werden.
Die Überprüfung und Beurteilung der Fahreignung erfolgt nach der “Fahrerlaubnisverordnung”(FeV). Darin ist geregelt, dass eine Vorsorgepflicht aufseiten des Patienten besteht. Diese beinhaltet ein sicheres Verhalten im Straßenverkehr, um sich und andere nicht zu gefährden.
Richtungsweisend sind auch die “Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung”4, welche durch die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht werden.
Wege zurück in den Straßenverkehr
Wird ein Fahrzeug entgegen einer ärztlichen Empfehlung bewegt oder ist gar ein Unfall passiert, kann der Gesundheitszustand Gegenstand einer Überprüfung werden. In dessen Folge kann sogar der Versicherungsschutz verloren gehen5, da vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt wurde.5
“Wer im Straßenverkehr … ein Fahrzeug führt, obwohl er … infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, … und dadurch Leib und Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”6
Daher wird die Fahrtauglichkeit zum eigenen Schutz und auch zum Schutz der Umgebung überprüft.
Meldung bei der Fahrerlaubnisbehörde/Führerscheinstelle
Dieser Weg ist vor allem dann zu empfehlen, wenn der Führerschein für eine Berufsausübung benötigt wird. Liegt eine Fahrtüchtigkeit vor, wird diese offiziell bestätigt. Das trägt dazu bei, die persönliche Sicherheit zu erhöhen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug beruflich oder privat genutzt wird.5
Das Vorgehen ist wie folgt:
- Der Führerscheinstelle wird die Schlaganfall-Erkrankung durch den Patienten gemeldet
- Ein verkehrsmedizinisches Gutachten wird innerhalb einer bestimmten Frist vorgelegt
- Der Nachweis einer Fahrprobe mit technischem Gutachten wird bei medizinischen Bedenken aufgrund körperlicher Einschränkungen erbracht
Ein verkehrsmedizinisches Gutachten kann durch Neurologen mit spezieller Qualifikation, Betriebs-, Arbeits- oder Rechtsmedizinern ausgestellt werden. Auch sogenannte “MPU-Stellen” erstellen ein Gutachten, “MPU” steht für Medizinisch-Psychologische Untersuchung.
Wichtig ist, dass das Gutachten zu einem Zeitpunkt erstellt wird, nachdem eine Reha-Behandlung erfolgt ist oder therapeutische Maßnahmen ergriffen wurden. Denn meist verbessert und stabilisiert sich der Gesundheitszustand und die Chancen für das Wiedererlangen der Fahrtauglichkeit erhöhen sich.
Dazu kann auch eine augenärztliche Untersuchung gehören, um eine Sehschwäche oder andere Sehstörung hinsichtlich der Fahrtauglichkeit zu beurteilen.
Inhalte des Gutachtens sind:
- Bestehen fahrrelevante Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit?
- Handelt es sich um einen stabilen Zustand oder ist mit einer Verschlechterung zu rechnen?
- Besteht eine mangelnde Kritik-, Einsichts- oder Urteilsfähigkeit?
- Gibt es ausreichend Kompensationsmöglichkeiten durch zum Beispiel vorhandene Erfahrung oder Hilfsmittel?
Welche Testverfahren ein Gutachter dabei verwendet, ist ihm selbst Überlassen, dabei können aber folgende Aspekte eine Rolle spielen:
- Anamnese (medizinische Vorgeschichte) und Diagnose
- ärztliche Untersuchung
- Ergebnisse diagnostischer Untersuchungen
- neuropsychologische Funktionsuntersuchung
- augenärztliche Untersuchung
- Leistungsvermögen
- Medikation
- Stellungnahme zur Fahreignung
Medizinisch-psychologische Untersuchung
Die medizinisch-psychologische Untersuchung beinhaltet eine ärztliche Untersuchung, eine neuropsychologische Testung und ein Gespräch mit dem Psychologen.5 Bei der neuropsychologischen Testung werden vor allem die Reaktionsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit getestet.
Aber auch die Fähigkeiten zur Orientierung, Aufmerksamkeit und Belastbarkeit werden untersucht und gehen in das Gutachten ein. Bei den Testuntersuchungen wird beispielsweise darauf geachtet, wie der Patient auf unterschiedliche Situationen reagiert, Anforderungen versteht und umsetzen können. Außerdem wird die Reaktionszeit gemessen.
Die medizinisch-psychologische Untersuchung ist vor allem dann angebracht, wenn es um psychische Auffälligkeiten geht – beispielsweise das vermehrte Fahren mit hoher Geschwindigkeit oder unter Alkoholeinfluss.
Zusätzlich kann eine Fahrverhaltensbeobachtung in Erwägung gezogen werden, wenn von medizinischer Seite nicht klar gesagt werden kann, ob eine Fahreignung vorliegt oder nicht. Dabei wird überprüft, ob Schwächen durch den Schlaganfall durch vorhandene Erfahrung und Routine ausgeglichen werden können.
Fahrprobe
Nach den verschiedenen Schritten der Gutachtenerstellung kann eine Fahrprobe erwogen werden. Diese kann theoretisch in allen Fahrschulen erfolgen. Liegt eine Lähmung vor, empfiehlt es sich, eine Fahrschule aufzusuchen, welche sich mit Behinderungen dieser Art auskennt. Der Prüfer wird auch beurteilen, ob Hilfsmittel oder Veränderungen am Fahrzeug benötigt werden.
Tipp: Auf der Webseite mobilsein.de kann postleitzahlabhängig nach Fahrschulen mit Behindertenerfahrung gesucht werden.
Bei einer 60-90 minütigen Fahrstunde wird zum Beispiel auf folgendes geachtet:
- Ist die volle Konzentration gewährleistet?
- Wird die Spur eingehalten?
- Wird der angemessene Abstand eingehalten?
- Wird die Geschwindigkeit häufig überschritten und kann diese situationsbezogen angepasst werden?
- Können alle Steuerelemente sicher bedient werden?
Wenn unabhängig von der Gutachtenerstellung das Fahren verbessert und vor allem sicherer gestaltet werden soll, können jederzeit Fahrstunden in entsprechenden Fahrschulen absolviert werden.
Behördliche Überprüfung
Wenn alle Gutachten vorhanden sind, können diese bei der Führerscheinstelle abgeben werden. Hier wird eine behördliche Überprüfung durchgeführt. Das hat den Vorteil, dass die Bestätigung der Fahrtauglichkeit hinterher nicht mehr infrage gestellt wird. Auch bei Verkehrskontrollen ist man im Regelfall auf der sicheren Seite.
Einen nicht amtlichen Weg einschlagen
Alternativ kann ein nicht amtlicher Weg einschlagen werden. Folgende Atteste sind dafür notwendig:
- Gutachten eines behandelnden Arztes/Verkehrsmediziners
- neuropsychologisches Gutachten
- augenärztliches Gutachten
Das Fahrzeug umrüsten
Bei einer dauerhaften körperliche Behinderung besteht die Möglichkeit, das Fahrzeug umzurüsten. So beispielsweise, wenn der linke Arm nicht mehr bewegt werden kann. Voraussetzung ist, dass die notwendigen Funktionen mit der rechten Hand und dem rechten Arm bedient werden können. Dafür ist neben dem medizinischen Gutachten und der Fahrprobe auch ein technisches Gutachten vorzuweisen.
Wichtig ist, dass Veränderungen am Auto unbedingt in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden, um bei einem Unfall Probleme mit der Versicherung zu vermeiden. Es besteht gelegentlich auch die Möglichkeit, ein bereits umgebautes Auto zu erwerben.
Tipp: Finanzielle Unterstützung kann beantragt werden, wenn das Fahrzeug zur Ausübung der Berufstätigkeit benötigt wird oder wenn mit dem Fahrzeug die Arbeitsstelle erreicht wird. Anträge hierfür finden sich bei der Deutschen Rentenversicherung.
Kosten5
medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) | 250-400 Euro |
technische Begutachtung | bis zu 200 Euro |
fachärztliches Gutachten | bis zu 700 Euro |
Umschreiben des Führerscheins | 25 Euro |
neuropsychologisches Gutachten | mind. 150 Euro |
Fahrprobe | bis zu 300 Euro |
Fahrstunden | Kosten abhängig von der Anzahl |
Checkliste für Schlaganfall-Patienten: Zurück in den Straßenverkehr
- Melden Sie Ihre Schlaganfall-Erkrankung an die Führerscheinstelle
- Lassen Sie ein Gutachten durch einen Neurologen mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikationen erstellen
- Lassen Sie im Rahmen des Gutachtens eine neuropsychologische Testung durchführen
- Absolvieren Sie bei Bedarf eine Fahrprobe bei einer Fahrschule mit Behindertenerfahrung
- Bei Bedarf: Rüsten Sie Ihr Fahrzeug mit Abnahme durch den TÜV/Dekra um
- Die Folgen des Schlaganfalls
- Wie häufig ereignen sich erneute Schlaganfälle?
- Symptome des Schlaganfalls
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Quellen
- Fahreignung nach Schlaganfall – Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Oliver Höffken – Publikation: Allgemeinarzt Online – URL: https://www.allgemeinarzt-online.de/archiv/a/fahreignung-nach-schlaganfall-1806837
- Fahreignung nach erworbener Hirnschädigung – Waldmüller, Regina – Vortrag, Ingolstadt, März 2015
- Fahrerlaubnisverordnung §2, www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/fev_2010/gesamt.pdf
- Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – Bundesanstalt für Straßenwesen – URL: https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrssicherheit/Fachthemen/U1-BLL/BLL-Hintergrund.html
- Autofahren nach Schlaganfall – Eine Anleitung zu mehr Mobilität – Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe – URL: https://www.schlaganfall-hilfe.de/fileadmin/files/SDSH/Medien-_und_Warenkorb/autofahren_nach_schlaganfall.pdf
- Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/fev_2010/gesamt.pdf