Patientenverfügung ▷ Informationen und Vorlage
In diesem Artikel:
- Was ist eine Patientenverfügung?
- Was ist eine Vorsorgevollmacht?
- Was ist eine Betreuungsverfügung?
- Was ist ein Patiententestament?
- Aktuelle Rechtsprechung
- Ethische Überlegungen zur Patientenverfügung
- Argumente gegen eine Patientenverfügung
- Argumente für eine Patientenverfügung
- Beispiel einer wirksamen Patientenverfügung
- Empfehlungen für eine Patientenverfügung
- Download Vorlage Patientenverfügung
Was ist eine Patientenverfügung?
Der Begriff Patientenverfügung steht für eine selbstbestimmte und rechtlich verbindliche Erklärung hinsichtlich der Begrenzung von medizinischen Behandlungen. Sie kann maschinell, handschriftlich oder auch mündlich erfolgen. Sie ist eine vorweggenommene Selbstbestimmung mit dem Ziel, in der letzten Phase des Lebens die medizinische Versorgung zu begrenzen. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich. Die Patientenverfügung kann von Gesunden oder von Kranken für den Fall erstellt werden, dass sie zu einer freien Willensäußerung nicht mehr fähig sind.
Mögliche Situationen sind:
- ein nahender Tod
- im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung
- bei einer Gehirnschädigung mit dem unwiederbringlichen Verlust, bewusste Entscheidungen zu treffen oder mitzuteilen
- bei fortschreitendem Hirnabbau (Demenz)
- als Bereitschaft zur oder Ablehnung einer Organspende
Verständlicherweise ist es für die behandelnden Ärzte sinnvoll und hilfreich, den Patienten bei der Abfassung einer Patientenverfügung zu unterstützen. Insbesondere dann, wenn ein Krankheitsverlauf weit fortgeschritten und vorhersehbar ist. Von entscheidender Bedeutung ist somit die Prognose. In dieser Situation ergibt sich auch die Gelegenheit, das Umfeld des Patienten, Angehörige, Partner oder Freunde in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.
Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht bestimmt eine oder mehrere Personen, die bei Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers für ihn rechtsgültige Entscheidungen treffen dürfen. Die Vollmacht sollte nach vorheriger Beratung notariell beglaubigt werden.
Was ist eine Betreuungsverfügung?
Mit diesem Vorsorgedokument wird dem Vormundschaftsgericht ein Betreuer vorgeschlagen, der bei Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers dessen Interessen bei Gericht wahrnimmt. Es können auch Personen von der Betreuung ausgeschlossen werden.
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Als Ergänzung zur Vorsorgevollmacht bietet die Betreuungsvollmacht zusätzliche Sicherheit, damit die persönlichen Interessen des Vollmachtgebers durchgesetzt werden.
Auch die Betreuungsvollmacht sollte nach entsprechender Beratung notariell beglaubigt werden.
Was ist ein Patiententestament?
Der Begriff “Patiententestament” ist irreführend, da ein Testament erst wirksam wird, wenn der Betroffene gestorben ist. Er kann in Zusammenhang mit der Bereitschaft oder Ablehnung einer Organspende bei einem unwiederbringlichen Ausfall aller Hirnfunktionen, dem sogenannten Hirntod, verwendet werden. Der Hirntod wird mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt.
Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Patientenverfügungen
Mit Beschlüssen vom 06.06.2016, 08.02.2017 und 14.11.2018 hat der BGH auch Stellung zu der Frage genommen, welche inhaltlichen Voraussetzungen an eine Patientenverfügung zu stellen sind: Sie entfaltet nur dann eine unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen in die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Es wurde auch deutlich gemacht, dass die Verfügung “keine lebenserhaltenden Maßnahmen”, für sich genommen keine wirksame Behandlungsentscheidung ist.
Liegt aber die erforderliche Konkretisierung durch Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheits- oder Behandlungssituationen vor, ist die Verfügung als Ausdruck der Selbstbestimmung bindend. Dann ist auch die Einwilligung eines Bevollmächtigten oder Betreuers nicht erforderlich.
Beispiel einer unwirksamen Patientenverfügung
Der geliebte Großvater, 78 Jahre alt, erleidet einen schweren Schlaganfall mit kompletter Lähmung der rechten Körperseite und Verlust der Sprache, auch des Sprachverständnisses. Wenn ihn der 23-jährige Enkel im Krankenhaus besucht, weint der Großvater und macht insgesamt einen sehr hilflosen Eindruck.
Tief deprimiert entschließt sich der Enkel zu einer Patientenverfügung. In dieser Verfügung legt er handschriftlich fest, dass er keine lebensverlängernde, medizinische Behandlung wünscht, wenn ihn ein Schlaganfall trifft. Diese Erklärung deponiert der Enkel bei seinen persönlichen Unterlagen.
Kommentar: Prinzipiell sollte eine Patientenverfügung nicht unter dem Eindruck der schweren Erkrankung eines nahestehenden Menschen und/oder einer starken emotionalen Belastung abgefasst werden.
Insofern ist die pauschale Verfügung “bei Schlaganfall keine lebensverlängernde Behandlung” nicht ausreichend präzisiert und damit für behandelnde Ärzte nicht ausreichend verbindlich und damit unwirksam.
Hätte sich der Enkel mit einem Arzt besprochen, wäre diese Verfügung nicht in dieser Form abgefasst worden. Zum einen beinhaltet der Krankheitsbegriff Schlaganfall sehr leichte bis schwerste körperliche, seelische und geistige Beeinträchtigungen durch einen Hirninfarkt, eine Hirnblutung oder eine Aneurysmablutung. Nicht jeder Schlaganfall führt zu einer schweren Behinderung, viele Schlaganfälle können heutzutage erfolgreich behandelt werden.
Zum anderen hätte er erfahren, dass das Weinen seines Großvaters ein Symptom des Schlaganfalls und auch Ausdruck von Freude sein kann. Dieses Symptom wird als Affektinkontinenz bezeichnet.
Ethische Überlegungen zur Patientenverfügung
Die Patientenverfügung beansprucht das Recht auf Selbstbestimmung.
Das Selbstbestimmungsrecht ist ein ethisches Grundrecht. Der wichtigste Grundsatz ist: Jede medizinische Behandlung muss sich am Willen des Patienten orientieren. Jeder Mensch kann grundsätzlich allein Entscheidungen für oder gegen ärztliche Maßnahmen treffen.
Dieser Grundsatz gilt auch für Situationen, in denen sich der Patient nicht mehr selbst äußern kann, z.B. bei Bewusstlosigkeit, schwerer Demenz oder schwerster Erkrankung.
Grundlage einer jeden Arzt-Patienten-Beziehung ist das vertrauensvolle Gespräch bzw. der Dialog. Alle Maßnahmen zur Diagnostik und Therapie müssen nach verständlicher Aufklärung gemeinsam entschieden werden. Der Patient kann anschließend zustimmen oder ablehnen.
Wird ein Patient entscheidungsunfähig, fällt dieser Dialog weg. Der Arzt hat dann die oft herausfordernde Aufgabe, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. Dieser Situation kann durch eine rechtzeitig und präzise abgefassten Patientenverfügung entgangen werden.
Eine Patientenverfügung ist eine Entscheidung des Patienten, die verhindern soll, dass der Arzt einseitige Entscheidungen trifft, der Arzt also nach eigenem Ermessen handelt.
Diese Einseitigkeit der ärztlichen Entscheidung fürchten Patienten umso mehr, als der medizinische Fortschritt immer eingreifendere Behandlungen ermöglicht. Behandlungen, die das biologische Leben zwar verändern, an deren Sinn für die Lebensführung der Betroffenen jedoch oft berechtigte Zweifel bestehen.
Besonders ältere und schwerkranke Menschen fürchten, dass ihnen ein Tod in Würde versagt wird, weil der Arzt dem Diktat des medizinisch Machbaren unkritisch folgt und ihr Leben ins Unerträgliche verlängert”.1
Allerdings werden diese Aussagen durch die Entwicklung und Fortschritte der Palliativmedizin relativiert. Bei unheilbaren Erkrankungen wird auf diesem Fachgebiet dafür gesorgt, die verbleibende Lebenszeit zu erleichtern, unverhältnismäßiges Leiden zu mildern und die Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod zu ermöglichen und bewusst zu machen. In Absprache mit dem Patienten kann auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet werden.
Argumente gegen eine Patientenverfügung
Bei den vielen Unsicherheiten des individuellen Verlaufs eines Lebens, eines Unfalls oder einer Erkrankung besitzen Patientenverfügungen im Ernstfall ein hohes Konfliktpotenzial für Ärzte und Angehörige.
Es ist für keinen Menschen oder Arzt möglich, vorherzusehen, welche Unfall- oder Krankheitssituation auftreten kann und welche Möglichkeiten einer Behandlung in Zukunft möglich sein werden.
Da sich gerade bei Schwerkranken häufig die Einstellung zur Lebensqualität und zum Überleben ändert, schwere körperliche Behinderungen und allgemeine Einschränkungen akzeptiert werden, kann kein Mensch wissen, wie es ihm ergehen wird.
Häufig wird eine Patientenverfügung vom Patienten erstellt, ohne vorherige ärztliche Aufklärung und ohne Eingehen auf die nicht selten falschen Vorstellungen des Verfassers. Wenn also nicht sicher ist, ob der Betroffene die medizinischen Zusammenhänge verstanden oder zumindest erklärt bekommen hat, ist seine Verfügung ungültig.
Argumente für eine Patientenverfügung
Bei aller vordergründigen Logik und Verständlichkeit der Gegenargumente sprechen für eine Patientenverfügung folgende Überlegungen:
- Während des Lebens kann sich die persönliche Einstellung zu lebensverändernden Erkrankungen oder Tod verändern. Deshalb hat jeder Mensch die Freiheit und die Verantwortung, richtige oder falsche Entscheidungen auch hinsichtlich seiner Gesundheit und einer eventuellen Erkrankung zu treffen und auch zu ändern. Dies nennt man das hohe Gut der Selbstverantwortung.
- Bei vielen chronischen Erkrankungen ist der weitere Verlauf abzusehen. Hieraus kann eine Patientenverfügung abgeleitet werden.
- Es geht um das Leben des Patienten. Wenn keine Auseinandersetzung zwischen Patient und Arzt mehr möglich ist, gilt immer der selbstbestimmte Willen des Patienten, nicht der des Arztes. Daher liegt es in der Verantwortung des Verfassers einer Patientenverfügung, medizinische Informationen und Zusammenhänge zu verstehen oder explizit auf dieses Verständnis zu verzichten.
- In mehreren Studien wurde festgestellt, dass die Menschen bei noch voller Gesundheit gegenüber schweren Erkrankungen zu negativ eingestellt sind.2
Beispiel einer wirksamen Patientenverfügung
Die 69-jährige Patientin war 10 Jahre zuvor an einem Brustkrebs erkrankt, der trotz aller ärztlicher Bemühungen fortschreitend in viele Organe streute (metastasierte). Betroffen waren das Gehirn, beide Lungenflügel, die Leber und die Haut. Wegen des Auftretens von epileptischen Anfällen und einer zunehmenden Atemnot wurden in immer kürzeren Abständen Krankenhausbehandlungen notwendig. Die Lebensqualität in der häuslichen Umgebung wurde wegen der vielfältigen und zunehmenden Beschwerden unerträglich.
In Absprache mit ihrem Hausarzt verfasste sie eine Patientenverfügung mit folgenden Willensbekundungen:
- “In Todesnähe verzichte ich auf pflegerische oder ärztliche Maßnahmen, die geeignet sind, mein Leben zu verlängern.
- Ich verzichte auf künstliche Ernährung oder Beatmung.
- Bei einem Kreislaufversagen sind keine wiederbelebenden Maßnahmen zu ergreifen.
- Einem Durstgefühl ist entgegenzuwirken, die künstliche Zufuhr von Flüssigkeit auf das ärztlich bemessene Mindestmaß zu beschränken.
- Bei Atemnot, Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Unruhe oder Angst oder anderen Beeinträchtigungen ist diesen mit geeigneten Medikamenten entgegenzuwirken, auch wenn sie lebensverkürzend wirken.
- Einer Organspende nach meinem Tod kann ich wegen meiner schweren Krebserkrankung leider nicht zustimmen”
Bei dieser Eindeutigkeit war es für die Pflege, die Ärzte und Angehörigen gleichermaßen eine große Erleichterung, dass diese Verfügung vorlag.
Empfehlungen für eine Patientenverfügung
- Bei allen Unwägbarkeiten des Lebens ist es äußerst sinnvoll, eine Patientenverfügung im Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens abzufassen.
- Allerdings hat jeder das Recht auf Selbstbestimmung und kann auf eine Beratung verzichten. Dann besteht jedoch die Gefahr, dass die Verfügung nicht wirksam wird.
- Eine Patientenverfügung ist immer dann von besonderem Wert, wenn die weitere Entwicklung, also die Prognose für eine Erkrankung abzusehen ist.3
- Eine Patientenverfügung sollte zusammen mit einer Vorsorgevollmacht und/oder Betreuungsverfügung erstellt werden.
Download Vorlage Patientenverfügung
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz stellt auf ihrer Internetseite Textbausteine für eine schriftliche Patientenverfügung zur Verfügung. Die Textbausteine verstehen sich als Anregungen und Formulierungshilfen.
Wir haben diese Textbausteine in einem Dokument für Sie zusammengestellt. Sie können Ihre Auswahl entsprechend anpassen.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Quellen
- Hick, Christian, Michael Gommel, eds., Klinische Ethik: mit Fällen, Springer-Lehrbuch (Heidelberg: Springer, 2007)
- Sahm, Stephan, Sterbebegleitung und Patientenverfügung: ärztliches Handeln an den Grenzen von Ethik und Recht, Kultur der Medizin, 21 (Frankfurt am Main: Campus-Verl, 2006)
- Maio, Giovanni (2017). Mittelpunkt Mensch: Lehrbuch der Ethik in der Medizin. Mit einer Einführung in die Ethik der Pflege. Kap. 32.2. Schattauer, Stuttgart
- Patientenverfügung – Leiden – Krankheit – Sterben – Wie bestimme ich, was medizinisch unternommen werden soll, wenn ich entscheidungsunfähig bin? – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – URL: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Patientenverfuegung.pdf?__blob=publicationFile&v=7