Finanzielle Hilfeleistungen für Schlaganfall-Betroffene ▷ Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit
In diesem Artikel:
- Übersicht über die Leistungen
- Leistungen bei kurz- und mittelfristiger Arbeitsunfähigkeit
- Leistungen bei langfristiger Arbeitsunfähigkeit
- Schwerbehinderung
- Zuzahlungen Krankenversicherung
- Hilfe zur Weiterführung des Haushalts
- Leistungen bei Vorliegen eines Pflegegrads
Eine Schlaganfall-Erkrankung stellt Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen vor eine völlig neue Situation, in der sie auf Unterstützung und Leistungen aus der Pflegekasse angewiesen sind. Denn sie müssen nicht nur mit plötzlichen Einschränkungen zurechtkommen, sondern sind möglicherweise auch mit finanziellen Einbußen konfrontiert.
Übersicht über die Leistungen
Ein Schlaganfall führt in der Regel zu einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit. In vielen Fällen bleiben Einschränkungen und eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehen. Von denen, die in das Berufsleben zurückkehren, übt später ein Großteil der Betroffenen eine Tätigkeit mit geringeren Anforderungen aus, oft verbunden mit qualitativen und finanziellen Einbußen. An denselben Arbeitsplatz und in die bisherige Tätigkeit kehren die wenigsten ohne Einschränkungen zurück.
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Bei jedem vierten Betroffenen führt ein Schlaganfall zu einer schweren Beeinträchtigung des täglichen Lebens, sodass er pflegebedürftig wird. Die Pflege wird in den meisten Fällen von Angehörigen gewährleistet. Viele pflegende Angehörige geben dann ihren Job auf oder reduzieren ihre Arbeitszeit.
Eine Übersicht über mögliche finanzielle Leistungen gibt folgende Abbildung:
Leistungen bei kurz- und mittelfristiger Arbeitsunfähigkeit
In den ersten sechs Wochen haben Schlaganfall-Betroffene Anrecht auf eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Während der Reha-Maßnahmen wird das Übergangsgeld gezahlt. Dauert die Arbeitsunfähigkeit mehr als 6 Wochen, gibt es die Möglichkeit, Krankengeld für maximal 78 Wochen in Anspruch zu nehmen.1
Oft möchten die Betroffene jedoch in den Beruf zurückkehren, was durch die Folgen des Schlaganfalls erschwert wird. Deshalb gibt es für die berufliche Wiedereingliederung einige Hilfeleistungen, die die Rückkehr nach einem Schlaganfall erleichtern.
Ein Beispiel
In den Tagen, die Herr Meyer auf der Stroke Unit im Krankenhaus verbrachte, erhielt er eine Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber. Während der Zeit in der Reha-Klinik erhielt er Übergangsgeld. Hätte er nach der medizinischen Rehabilitation eine berufliche Rehabilitation angeschlossen, hätte er weiterhin Übergangsgeld erhalten. In dem alternativen Fall, dass er nach der medizinischen Rehabilitation arbeitsunfähig bleibt, hätte er Krankengeld von der Krankenkasse erhalten.
Entgeltfortzahlung
Wenn der oder die Betroffene nach einem Schlaganfall kurzfristig nicht mehr der beruflichen Tätigkeit nachgehen kann, steht ihm oder ihr bis zu sechs Wochen die Entgeltfortzahlung zu. In dieser Zeit bekommen Arbeitnehmende 100 Prozent des Lohns.
Voraussetzung dafür ist, dass der Betroffene seit mindestens vier Wochen angestellt ist. Auch geringfügig Beschäftigte oder Auszubildende gelten hier als Arbeitnehmer.
Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsunfähigkeit (AU) seinem Arbeitgeber unverzüglich melden und ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt zukommen lassen. Ein Anrecht auf Entgeltfortzahlung besteht auch bei der Inanspruchnahme medizinischer Reha-Maßnahmen.
Krankengeld
Nicht selten führt ein Schlaganfall zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit. Sind die sechs Wochen abgelaufen, in der die Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber gezahlt wird, kann das Krankengeld beantragt werden.1
Das Krankengeld ist eine Lohnersatzzahlung, die dem Arbeitnehmer 78 Wochen lang nach Ablauf der Entgeltzahlung zustehen, wenn dieser durch den Schlaganfall weiterhin arbeitsunfähig ist. In dieser Zeit bekommt der Betroffene 70 Prozent des Brutto-Arbeitsentgelts, aber maximal 90 Prozent des Netto-Arbeitsentgelts.
Folgende Personengruppen haben keinen Anspruch auf das Krankengeld:
- Familienversicherte
- Teilnehmer an einer beruflichen Reha
- Praktikanten
- Studenten
- Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente
- Bezieher von Arbeitslosengeld II
Die Krankschreibungen sollten der Krankenkasse lückenlos vorliegen. Eine stationäre Behandlung (Krankenhaus oder Reha-Einrichtung) auf Kosten der Krankenkasse begründet auch einen Anspruch auf das Krankengeld, selbst wenn keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Übergangsgeld
Falls der Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung bereits erschöpft ist, zahlt die Rentenversicherung während der medizinischen und beruflichen Reha sowie bei der stufenweisen Wiedereingliederung das Übergangsgeld. Es wird auch während Weiterbildungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen gezahlt.2
Die Höhe des Übergangsgeldes hängt von mehreren Faktoren ab. Es beläuft sich jedoch ungefähr auf zwei Drittel des vorher verdienten Nettoeinkommens.
Das Übergangsgeld wird entweder von der Rentenversicherung, der Unfallversicherung oder der Agentur für Arbeit so lange gezahlt, bis die medizinische oder berufliche Rehabilitation abgeschlossen ist.
Es gilt zu beachten, dass das Einkommen, welches zur gleichen Zeit bezogen wird, mit dem Übergangsgeld verrechnet wird.
Die Deutsche Rentenversicherung beantwortet auch Ihre individuellen Fragen zum Thema Übergangsgeld. Das kostenlose Servicetelefon ist unter der Telefonnummer 0800 1000 4800 zu erreichen.
Leistungen für die berufliche Wiedereingliederung
Wenn der Betroffene wieder arbeiten möchte, aber Einschränkungen vorliegen, welche ihm die Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne Weiteres nicht erlauben, kommt die berufliche Reha in Betracht.
Die berufliche Rehabilitation ist eine Leistung der Rentenversicherung, welche es den Betroffenen ermöglichen soll, wieder am Berufsleben teilzunehmen. So gibt es für Betroffene entweder die Möglichkeit, an den alten Arbeitsplatz zurückzukehren oder durch Aus- und Weiterbildungsangebote einen neuen Beruf auszuüben.
Dabei kommen folgende Leistungen in Betracht:
- eine Arbeitsassistenz
- ein Gründungszuschuss
- Kraftfahrzeughilfen für den Umbau des Autos
- Hilfe bei der Suche nach einer neuen Arbeit
- Leistungen in einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen
- technische Hilfen für persönliche Hilfsmittel oder für die Ausstattung am Arbeitsplatz
Die Leistungen kommen in Betracht, wenn der Betroffene aufgrund der Folgen des Schlaganfalls den erlernten Beruf nicht mehr ausführen kann. Für die Inanspruchnahme der Leistungen sollte der Betroffene vorher mindestens 15 Jahre lang erwerbstätig gewesen sein.
Mehr Informationen und ein Praxisbeispiel zur beruflichen Wiedereingliederung erhalten Sie hier.
Leistungen bei langfristiger Arbeitsunfähigkeit
Erwerbsminderungsrente
Wenn der Betroffene längerfristig aufgrund des Schlaganfalls nicht mehr arbeiten kann, kann dieser Erwerbsminderungsrente beantragen.
Die Höhe der Erwerbsminderungsrente richtet sich nach der erworbenen Rentenanwartschaft und der möglichen Arbeitsbelastung pro Tag. Wer weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, kann die volle Erwerbsminderungsrente beziehen. Personen, die zwischen drei und sechs Stunden arbeiten können, können die teilweise Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Für vor dem 2. Januar 1961 Geborene gilt ein erweiterter Schutz.
Um die Erwerbsminderungsrente in Anspruch zu nehmen, muss die Fähigkeit, irgendeine Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuführen, eingeschränkt sein.3
Es ist wichtig, dass der Gesundheitszustand des Betroffenen gut dokumentiert ist. Zudem ist es hilfreich, die behandelnden Ärzte einzuweisen, die den Entlassungs- und Befundbericht anfertigen.
Tipp: Nahtlosigkeitsregelung mit dem ArbeitslosengeldAuch wenn der Betroffene bereits während des Bezugs des Krankengeldes die Erwerbsminderungsrente beantragt hat, kann es vorkommen, dass er bis zum Ablauf des Krankengeldes keinen Bescheid bekommen hat. Dann kann der Betroffene die Nahtlosigkeitsregelung (§145 SGB III) geltend machen. Damit kann der Betroffene in der Übergangszeit zwischen dem Krankengeld und der Erwerbsminderungsrente Arbeitslosengeld beziehen.4
Grundsicherung (während der Erwerbsminderungsrente)
Falls die Erwerbsminderungsrente nicht für den Lebensunterhalt reicht, kann der Betroffene die Grundsicherung beantragen.5
Als Orientierungswert gilt eine Rente unter 865 € als berechtigt, um eine Grundsicherung zu beantragen.
Betroffene haben nur das Recht auf die Grundsicherung, wenn sie eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen. Sollte dies nicht der Fall sein, kommt eventuell die Sozialhilfe in Betracht. Auch das Vermögen und das Einkommen des Ehepartners werden bei der Berechnung berücksichtigt. Den Antrag kann der Betroffene beim Sozialamt oder der Rentenversicherung stellen.
Schwerbehinderung
Falls der Betroffene durch einen Schlaganfall eine dauerhafte Behinderung erlitten hat, kann er einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis stellen. Mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 gelten Menschen als schwerbehindert.6
Einen Schwerbehindertenausweis bekommen Menschen, bei denen der Schlaganfall zu einer mittleren oder schweren Leistungsbeeinträchtigung geführt hat. Dazu zählen Beeinträchtigungen körperlicher, seelischer oder geistiger Natur.
Ein Grad der Behinderung von mindestens 50 erhalten beispielsweise Personen, bei denen
- eine Aphasie deutliche bis schwer ausgeprägte Kommunikationsschwierigkeiten mit sich bringt.
- sich psychische Störungen deutlich auf den Alltag auswirken.
Diese Beeinträchtigung muss mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern.
Es ist zu bedenken, dass je nach Bundesland ein anderes Amt für den Antrag zuständig ist. In den meisten Bundesländern handelt es sich hierbei um die Versorgungsämter.
Falls der Betroffene einen Grad der Behinderung zwischen 30 und 50 hat und keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten kann, gilt er oder sie einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Schwerbehinderte haben das Recht auf einen Nachteilsausgleich. Durch den Nachteilsausgleich genießen Schwerbehinderte beispielsweise einen Kündigungsschutz und haben das Anrecht auf zusätzliche Urlaubstage. Zudem bringt ein Schwerbehindertenausweis Steuervorteile und ermäßigte Preise z. B. beim öffentlichen Nahverkehr mit sich.
Der Antrag inkl. Gutachten, Laborwerten, Röntgenbilder usw. wird bei der Stadt gestellt. Die genaue Adresse ist beim Bürgeramt zu erfragen. Die meisten Städte bieten inzwischen ein Online-Portal für ihre Bürger an, wo der Antrag heruntergeladen werden kann.
Zuzahlungen Krankenversicherung
Falls Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen werden, besteht ein Eigenanteil der Kosten. Dieser Eigenanteil ist jedoch auf 2 Prozent des Familienbruttoeinkommens im Jahr gedeckelt, bei chronisch Kranken beträgt der Eigenanteil maximal 1 Prozent.7
Tipp: Bewahren Sie alle Rechnungen und Quittungen des Betroffenen auf und reichen diese dann bei der Krankenkasse ein.
Falls der Betroffene eine Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe bezieht, gelten nochmals andere Regelungen, welche der Betroffene beim zuständigen Amt erfragen kann. Auch Pflegebedürftige und die pflegenden Ehepartner sind teilweise von den Zusatzzahlungen befreit. Dies richtet sich nach dem Einkommen.
Hilfe zur Weiterführung des Haushalts – §38 SGB V
Falls der Betroffene stationär behandelt wird und er sich damit nicht um die Kinder in seinem Haushalt kümmern kann, kann er oder sie bei der Krankenkasse eine Hilfe für den Haushalt beantragen. Dafür muss das Kind unter 12 Jahre alt sein oder geistig oder körperlich behindert sein.8
Bei der Beantragung hilft die Krankenkasse und kann dabei behilflich sein, einen geeigneten Dienst herauszusuchen.
Tipp: Die Sozialdienste der Krankenhäuser und Reha-Kliniken, die Selbsthilfegruppen, die Sozialverbände und die Servicestellen der Wohlfahrtsverbände (Caritas, AWO, etc.) helfen bei der Übersicht und Beantragung von Leistungen. Auch die Leistungsträger (bspw. Ihre Krankenversicherung) sind dazu verpflichtet, bei der Antragstellung zu unterstützen.
Leistungen bei Vorliegen eines Pflegegrads
Der Pflegegrad bringt die Schwere der Pflegebedürftigkeit zum Ausdruck. Pflegebedürftige Personen sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, den Alltag selbstständig zu bewältigen. Bei Beeinträchtigungen kann es sich um körperliche, geistige oder seelische Faktoren handeln.9
Die Einstufung reicht von einer “geringen Beeinträchtigung” (PG 1) bis zu einer “schwersten Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung” (PG 5).
Eine Übersicht über die wichtigsten Leistungen der Pflegeversicherung 2024 und ab 2025 in Abhängigkeit vom ermittelten Pflegegrad (PG) können Sie hier herunterladen.
- Pflegegeld für häusliche Pflege
- Pflegesachleistungen für häusliche Pflege
- Pflegehilfsmittel
- Verhinderungspflege
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
- Entlastungsbetrag
Dieser Onlinekurs erklärt Ihnen in 12 kompakten Modulen alles, was Sie jetzt wissen müssen.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autorin
Marieke Theil, M.Sc. hält einen Master of Science in Molecular Nutrition und hat sich in Gesundheitspsychologie weitergebildet. Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat sie sich mit dem Einfluss verschiedener Ernährungsformen auf das kardiovaskuläre Risiko befasst. Damit verfügt sie über ein fundiertes Verständnis der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen. [mehr]
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Quellen
- § 44 SGB V Krankengeld – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/44.html
- Übergangsgeld: § 20 SGB VI Anspruch – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbvi/20.html
- § 43 SGB VI Rente wegen Erwerbsminderung – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbvi/43.html
- § 145 SGB III Minderung der Leistungsfähigkeit – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbiii/145.html
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – URL: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/BJNR302300003.html#BJNR302300003BJNG000600000
- Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) – URL: https://www.gesetze-im-internet.de/schwbawv/BJNR004310981.html
- § 62 SGB V Belastungsgrenze – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/62.html
- § 38 SGB V Haushaltshilfe – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/38.html
- § 14 SGB XI Begriff der Pflegebedürftigkeit – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbxi/14.html