Hilfsmittelversorgung bei Schlaganfall-Patienten ▷ Mobilität, Ernährung, Atmung, Inkontinenz
In diesem Artikel:
- Allgemeines
- Orthopädische Hilfsmittel
- Rollstuhl
- Rollator
- Hausnotrufsystem
- Häusliche Hilfsmittel
- Atmung
- Ernährung
- Inkontinenz
- Kostenübernahmen
Allgemeines
Trotz der immensen Fortschritte in der Akuttherapie von Schlaganfällen, z.B. durch die Lysetherapie (medikamentöses Auflösen von Blutgerinnseln in Blutgefäßen des Gehirns) oder durch die mechanische Rekanalisation (Entfernen von Blutgerinnseln in Blutgefäßen des Gehirns über einen Katheter) kann leider nicht allen Menschen mit Schlaganfall so geholfen werden, dass sie nach der Akuttherapie weitgehend beschwerdefrei wieder nach Hause entlassen werden können.
Häufig bleiben Defizite wie Sprachstörungen, Schluckstörung und Halbseitenlähmungen. In solchen Fällen greift die neurologische Rehabilitationsbehandlung ein, um diese Funktionsstörungen zu bessern und eine Rückkehr nach Hause und bei Arbeitnehmern auch an den bisherigen Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Da wiederum trotz der besten Bemühungen mehr oder weniger ausgeprägte Störungen der Kommunikation oder Motorik und auch der Kontinenz bleiben können, ist es erforderlich, einen Ausgleich durch eine Versorgung mit Hilfsmittel zu schaffen.
Die Hilfsmittelversorgung wird meist von der Rehabilitationseinrichtung eingeleitet, wie es im Rahmen des Entlassmanagements vorgesehen ist. Exemplarisch soll in diesem Beitrag ein idealer Ablauf einer umfassenden Hilfsmittelversorgung bei Schlaganfall-Betroffenen skizziert werden.
Gesetzlich geregelt wird die Hilfsmittelversorgung durch den §39 SGB V im Rahmen des Entlassmanagements, welches verbindlich für alle Kliniken (Akut- und Rehabilitations- aller Stufen) ist.
Während des Rehabilitationsaufenthaltes werden in wöchentlichen Abständen Teamsitzungen abgehalten, die der Steuerung der Rehabilitation und Festlegung des interdisziplinären Rehabilitationsziels dienen. Teilnehmer sind Pflegekräfte, Ärzte, Therapeuten und Sozialdienst. Im Rahmen dieser Teamsitzungen werden Fortschritte und etwa notwendige Änderungen der Therapien besprochen.
Dieser Onlinekurs erklärt Ihnen in 12 kompakten Modulen alles, was Sie jetzt wissen müssen.
Wenn der Zeitpunkt absehbar ist, zu dem eine Entlassung vorgenommen und die weitere Therapie im ambulanten Bereich fortgeführt werden kann, wird der Umfang des Hilfsmittelbedarfs im interdisziplinären Team festgelegt.
Abhängig von der weiteren Versorgung nach der Entlassung (das sog. poststationäre Konzept) sind unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich. Die umfangreichste Versorgung benötigen Menschen, die in einer 24h-Intensivpflege zu Hause oder in einer Intensivpflege-Wohngemeinschaft betreut werden. Menschen, die aus der Anschluss-Heil-Behandlung (AHB) entlassen werden, benötigen hingegen meist nur wenige oder gar keine Hilfsmittel.
Üblicherweise werden Hilfsmittel in drei große Gruppen eingeteilt:
Orthopädische Hilfsmittel
Die Anpassung, Verordnung und Auslieferung von Hilfsmitteln kann teilweise schon relativ früh im Verlauf des stationären Aufenthalts nötig werden. Hierunter fallen insbesondere orthopädische Hilfsmittel wie Orthesen und Prothesen. Zum Beispiel bei Lähmungen der Fußheber kann es den Rehabilitationsfortschritt sogar beschleunigen, wenn eine entsprechende Schiene angepasst wird, um das Gehen besser zu trainieren und unter Umständen damit den freien Gang zu erreichen.
Rehatechnik
Mobilitätshilfsmittel – Rollstuhl
Mobilitätshilfsmittel umfassen ein breites Spektrum an Produkten, das vom einfachen Gehstock bis zum Elektrorollstuhl reicht, welcher mit Augen, Zunge oder Kinn gesteuert wird. Abhängig vom Grad der Bewegungseinschränkung gilt es dann, die Versorgung individuell abzustimmen. Oberstes Ziel dabei ist, einen möglichst hohen Grad an Unabhängigkeit von fremder Hilfe zu ermöglichen. Dabei spielen eine Reihe von krankheitsbedingten Faktoren eine Rolle. Darunter fallen neben den motorischen Einschränkungen vor allem die kognitive Leistungsfähigkeit. Hierzu gehören Aufmerksamkeit und Konzentration, auch geistige Ausdauer und Erinnerungsfähigkeit.
Für die Genehmigung eines Rollstuhls mit Elektroantrieb durch den Kostenträger ist es daher erforderlich, die sichere Teilnahme am Straßenverkehr zu testen und dann auch auf der ärztlichen Verordnung zu bescheinigen. Leicht nachvollziehbar ist eine Mindestsitzdauer im Rollstuhl. Allerdings gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass die von den meisten Kostenträgern geforderten zwei Stunden pro Tag eine medizinisch sinnvolle Grenze darstellen.
Bei der Anpassung eines Rollstuhls reicht es regelhaft nicht aus, die Körpergröße und das Gewicht zu kennen. Solch eine Art von Anpassung kann allenfalls toleriert werden, wenn der Rollstuhl nur als Transportmittel für kurze Zeit pro Tag (z.B. für längere Strecken) genutzt wird.
Ein wesentliches Maß, das berücksichtigt werden muss, ist die Höhe der Sitzfläche. Hauptkriterium dabei ist, ob der Betroffene in der Lage ist, mit dem nicht gelähmten Bein oder mit beiden Beinen “mitzutrippeln”. Auch ist die Neigung der Sitzfläche eher nach vorne oder waagerecht, statt nach hinten zu berücksichtigen.
Für die Breite des Sitzes nimmt man üblicherweise am Becken einen Zuschlag von 1-2 (selten 3) cm (Breite der senkrecht gestellten Hand) zu beiden Seiten. Ein Rollstuhl ist umso schlechter manövrierbar, je breiter er ist. Man gelangt leichter durch engere Türen, je schmäler er ist. Bei stark übergewichtigen Patienten kommt man häufig nicht umhin, die Sitzbreite „auf Maß“ zu nehmen, da sonst unter Umständen der Betroffene den Rollstuhl gar nicht mehr selbst bewegen kann.
Die Sitztiefe wird im Wesentlichen durch die Oberschenkellänge bestimmt. Bei aufrechter Sitzhaltung ist ein Abstand von ca. 5 cm (ca. 3 Querfinger) von der vorderen Sitzfläche zum Unterschenkel ideal.
Die Rückenlehnenhöhe bemisst sich bei guter Stabilität des Oberkörpers bis knapp unter das Schulterblatt. Bei Instabilität des Oberkörpers oder sogar Notwendigkeit der Stütze des Kopfes ist eine Rückenhöhe bis in Höhe der Schulter oder des Nackens anzustreben. In diesen Fällen ist meist eine so genannte Sitzkantelung (d.h. der gesamte Sitz-Rückenbereich kann gekippt werden) nötig, um eine möglichst gleichmäßige Positionierung des Patienten zu ermöglichen.
Insgesamt sollte bei der Anpassung eines Rollstuhls eine möglichst physiologische, .d.h. aufrechte Sitzhaltung angestrebt werden.
Unter Umständen ist entsprechendes Zubehör nötig. Darunter fallen spezielle Sitzkissen, um Druckstellen zu vermeiden, aber auch angepasste Rückenelemente bis hin zur individuell gefertigten Sitz-Rückenschale.
Seitenteile können fest verschraubt oder entfernbar sein. Dazu gibt es passende Tische, die aufgeschoben werden können.
Bei Fußstützen muss entschieden werden, ob eine durchgehende Fußraste möglich ist, die die Stabilität des Rollstuhls erhöht und die Fahreigenschaften verbessert, oder einzeln abnehmbare Stützen die bessere Wahl sind. Letzteres ist sinnvoll, wenn das nicht gelähmte Bein zum Antreiben des Rollstuhls genutzt werden soll.
Je nach der verbliebenen Kraft kann es nötig werden, einen zusätzlichen Elektroantrieb (z.B. über Joystick oder über Motoren in den Rädern und Greifreifen bedienbar) zu verordnen. Hier ist aber intensiv die künftige Nutzung zu diskutieren, d.h. inwieweit der Patient in der Lage ist, z.B. am Straßenverkehr teilzunehmen.
Mobilitätshilfsmittel – Rollator
Bei einer bereits erreichten guten Gehfähigkeit, aber evtl. noch bestehender Sturzgefahr oder verminderter Ausdauer mit der Notwendigkeit von (Sitz-) Pausen ist häufig die Anpassung eines Rollators nötig.
Rollatoren (gelegentlich auch als „Gehwagen“ bezeichnet) gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Diese reichen von einfachen vierrädrigen Fahrzeugen mit zwei Handgriffen und einer Sitzfläche (welche gelegentlich auch bei Discountern angeboten werden) bis hin zu hohen Gehwagen mit einer Sitzfläche in der Mitte (z.B. Meywalk 2000 medium/large ®).
Es gibt auch Modelle mit einem elektrischen Zusatzantrieb und Zubehör, das ein Laserlicht auf den Boden projiziert um Menschen mit einer Parkinsonerkrankung das Gehen (durch das Licht wird das Heben des Beines und damit Einleitung des Schrittes einfacher bei der so genannten Starthemmung) zu erleichtern.
Auch bei den Rollatoren ist in den meisten Fällen der möglichst genaue Zuschnitt auf die Fähigkeiten der Betroffenen erforderlich. Je unsicherer der Gang eines Menschen ist, desto mehr Stabilität muss der Rollator geben. Neben einem Sitz mit der entsprechenden Breite und Höhe und gegebenenfalls auch Band zum Anlehnen für die Pausen, kann zur Teilhabe (Einkäufe o.ä.) auch ein Korb als Zubehör sinnvoll sein.
Die Beschaffenheit der Griffe ist wichtig. Kann mit der gelähmten Hand der Griff gehalten werden, oder braucht es dafür eine Auflage? Müssen beide Griffe nebst Unterarmauflage in einer entsprechenden Höhe sein, damit die aufrechte Ganghaltung eingenommen werden kann? Besteht eine Sturzneigung nach hinten?
Zahlreiche dieser Voraussetzungen könnten durch entsprechende Einstellungen am Rollator beeinflusst werden, z.B. die Höhe der Griffe, die die Körperhaltung regulieren, aber auch die Art der Bremsen (zum Arretieren, oder aber auch solche, die arretiert sind und zum Gehen gelöst und auch gehalten werden müssen).
Sollte absehbar sein, dass ein Rollstuhl oder Rollator zumindest mittelfristig und auf alle Fälle über die Entlassung hinaus erforderlich sein, ist es immer sinnvoll, auch diese Mobilitätshilfsmittel noch während des stationären Aufenthaltes anzupassen und zu verordnen. Das hat den Vorteil, dass die zuständigen Therapeuten zusammen mit den Patienten erproben können, ob das Hilfsmittel auch im Alltag zweckmäßig eingesetzt werden kann oder noch Veränderungen vorgenommen werden müssen. In der häuslichen Umgebung oder im Pflegeheim ist es dann ungleich schwieriger, das Sanitätshaus zu überzeugen, dass die Anpassung des Rollstuhls bzw. Rollators noch nicht optimal ist.
Andere Gehhilfen
Unterarmstützen („Krücken“) und Gehstöcke (vom Walking-Stock über den einfachen Einpunkt- bis hin zum Vierpunktstock) kommen meist zum Einsatz, um den Gang sicherer zu machen und Stürze zu verhindern. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass durch die häufig einseitige Benutzung einer Gehhilfe das Gangbild nicht ungünstig beeinflusst wird.
Hierdurch kann es zu schwer zu korrigierenden Bewegungsmustern kommen, häufig zu schmerzhaften Fehlhaltungen im Muskel- und Skelettsystem. Auch in diesem Fall ist eine ausgiebige Erprobung im Beisein der zuständigen Therapeuten wünschenswert.
Häusliche Hilfsmittel
Bei den häuslichen Hilfsmitteln ist meist ein Hausbesuch durch ein Sanitätshaus erforderlich. Idealerweise sollte das von den Betroffenen bzw. Angehörigen gewählte Sanitätshaus eine Information bekommen, die die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Betroffenen beschreibt und auch die Anforderungen (z.B. Mindesttürbreiten aufgrund der Rollstuhlmaße) an die häusliche Umgebung.
Die Mitarbeiter des Sanitätshauses notieren dann die erforderlichen häuslichen Hilfsmittel und übermitteln diese an die zuständigen Therapeuten/Ärzte.
Anhand dieses Hausbesuchsprotokolls werden die entsprechenden Verordnungen erstellt. In vielen Fällen ist ein Pflegebett mit entsprechendem Zubehör (z.B. verstellbares Kopf- und Fußteil) erforderlich. Manchmal kann auch das bisherige Bett weitergenutzt werden, es muss jedoch der bisherige Lattenrost gegen einen Einlegerahmen (ein Lattenrost, der höhenverstellbar und gegebenenfalls zusätzlich ein verstellbares Kopf-/Fußteil hat) ausgetauscht werden. Häufig muss das Pflegebett in einem bisher für andere Zwecke genutzten Raum aufgestellt werden, z.B. im Wohnzimmer im Erdgeschoß, weil die räumlichen Bedingungen keine andere Lösung erlauben.
Um die Hygienemaßnahmen zu ermöglichen, ist unter Umständen ein Zugang zum Bad/Toilette mit dem Rollstuhl erforderlich. Ist das nicht möglich, ist gegebenenfalls die Verordnung eines Toilettenstuhls und auch Bettwaschsystems erforderlich.
Abhängig von den motorischen Fähigkeiten reicht für den Toilettengang die Versorgung mit entsprechenden Haltegriffen über Toilettensitze bis hin zum Toilettenstuhl, welcher über die Toilette gefahren, oder mit entsprechendem Auffangbehälter auch außerhalb einer Toilette genutzt werden kann.
Ähnliches gilt für die Dusche/Badewanne. Dort können Haltegriffe ausreichen. Je nach Oberkörperstabilität und Hilfebedarf kann beim Transfer ein Badewannenbrett, Drehsitz oder Badewannenlifter erforderlich werden. Für die Dusche kann ein Klappsitz, oder auch ein Duschhocker bzw. Duschrollstuhl (bei ebenerdiger Dusche ohne Einstieg) erforderlich werden.
Hausnotrufsystem
Hausnotrufsysteme sind ebenfalls Hilfsmittel, deren Kosten von der Pflegekasse übernommen werden können. Voraussetzung ist eine anerkannte Pflegebedürftigkeit ab einem Pflegegrad der Stufe 1. Ein Hausnotrufsystem ist ein elektronisches Meldesystem. Es besteht aus einem Notrufsender und einer Basisstation, die an das Telefon mit einer Freisprechanlage angeschlossen ist. Hausnotrufsysteme werden von unterschiedlichen Rufhilfe-Betreibern angeboten.
Ein Hausnotrufsystem erleichtert alleinstehenden älteren oder pflegebedürftigen Menschen, in einer Notfallsituation selbstständig direkte Hilfe anzufordern. Der Notrufsender wird um den Hals oder am Handgelenk getragen. Beim Auslösen des Notrufknopfes geht in die Leitstelle des Rufhilfe-Betreibers ein Notruf ein. Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Leitstelle nimmt Kontakt über die Freisprechanlage zu der pflegebedürftigen Person auf. Die wichtigsten Informationen wie die Adresse, der Gesundheitszustand, eingenommene Medikamente und Kontaktdaten der Person sind in der Leitstelle hinterlegt. Je nach Bedarfsfall kann so schnelle Hilfe organisiert werden, indem beispielsweise Angehörige, der Hausarzt, der Pflegedienst oder der Rettungsdienst informiert werden. Sollte die betroffene Person nicht mehr sprechen können, wird automatisch Hilfe geschickt.
Ein Hausnotrufsystem kann damit für Selbstständigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung bei Pflegebedürftigen sorgen.
Medizintechnik
Atmung
Bei den schwersten Formen von Schlaganfällen – vor allem solchen mit erheblicher Schädigung des Stammhirns mit Beteiligung der Zentren für die Atemmuskulatur des Rumpfes und des Zwerchfells – kann die Versorgung mit einer Heimbeatmung nötig werden. Diese wird überwiegend auf Intensivstationen angepasst und verordnet.
Oft besteht auch eine Schluckstörung, die die Versorgung mit einer Trachealkanüle erforderlich macht, über die dann evtl. auch invasiv beatmet werden muss.
Kann die Trachealkanüle mittels intensiver Schlucktherapie nicht entfernt werden, so wird eine umfangreiche Versorgung nötig, die neben den regelmäßig zu wechselnden Kanülen auch Absaugkatheter und zwei Absauggeräte, Kompressen, Haltebänder, feuchte Nasen, Sprechventile und entsprechend weiteres Zubehör wie Spritzen, Messgeräte für den Blockballon und vieles mehr umfasst.
Kann der Schleim bei reduziertem Hustenstoß nicht vom Betroffenen selbst abgehustet werden, kann eine Hustenhilfe („Clearway“) erforderlich sein um Ersticken und Lungenentzündungen zu verhindern.
In leichteren Fällen genügt eine einfache Atemtherapie z.B. in Form eines Atemtherapiegeräts für die unteren Atemwege, die den Schleim lösen kann und Husten und Atemnot vermindert (z.B. RC-Cornet®).
Zur Kräftigung der Atemmuskulatur kommen Atemtrainer zur Anwendung (so genannte Incentive-Spirometer), die es in einer Vielzahl von Ausführungen gibt. Gemeinsam haben diese Atemtrainer, dass man entweder langsam ein- oder ausatmet und dabei die Lunge langsam bläht. Dabei kommt es nicht auf die Luftmenge, sondern vielmehr auf die Dauer der Ein- oder Ausatmung an.
Ernährung
Schluckstörungen treten in der Akutphase von Schlaganfällen in 65-90 Prozent der Fälle auf und in der chronischen Phase – das heißt gegen Ende der Rehabilitation – leiden immer noch bis zu 25 Prozent der Patienten an mehr oder weniger ausgeprägten Problemen mit dem Schlucken.
Immer wieder kommt es vor, dass die Betroffenen zwar ausreichend Nahrung zu sich nehmen können, nicht jedoch genug trinken, weil bei Flüssigkeiten die Gefahr des Verschluckens bevorzugt besteht. In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Magensonde zu belassen und hierüber Flüssigkeiten über ein so genanntes Schwerkraftsystem zu verabreichen.
Bei einer vollständigen Ernährung über die Magensonde ist meist die Verordnung einer Ernährungspumpe sinnvoll. Dies vor allem beim Vorliegen einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), aber auch, wenn es zum Rückfluss von Mageninhalt (Reflux) in die Speiseröhre kommt. Hinzu kommt entsprechendes Zubehör wie Leitungen (sog. Überleitsysteme) oder Verbandsmaterial zur Versorgung der Eintrittsstelle in den Bauch. Üblicherweise wird Sondennahrung als Monatsbedarf verschrieben.
Ist die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ohne Gefahr des Verschluckens möglich, die Betroffenen können jedoch keine ausreichenden Mengen zu sich nehmen – z.B. weil sie beim Essen rasch ermüden – empfiehlt es sich, zusätzliche Trinknahrung zu verabreichen. Auch diese kann rezeptiert werden, je nach Kostenträger kann es aber zu Problemen bei der Kostenübernahme kommen.
Inkontinenz
Leider führen Schlaganfälle immer wieder zu Störungen der Kontrolle über das Wasserlassen und den Stuhlgang, d.h. Harn- und Stuhlinkontinenz. Diese kann nicht immer im Lauf der Rehabilitationsbehandlung erfolgreich therapiert werden und es wird dann Inkontinenzmaterial benötigt.
Zunächst wird versucht, einen über die Harnröhre eingelegten Blasendauerkatheter zu entfernen, um feststellen zu können, ob spontanes und kontrolliertes Wasserlassen möglich ist. Gelingt dies nicht, sollte die Anlage eines Bauchdeckenblasenkatheters ins Auge gefasst werden. Bei dieser Art von Urinableitung wird der Urin nicht durch die Harnröhre, sondern über einen Schlauch durch den Unterbauch abgeleitet. Die medizinisch korrekte Benennung lautet Zystostomie oder suprapubischer Katheter. In den verschiedenen Einrichtungen gibt es aber zahlreiche Namen und Abkürzungen wie Pufi, SPK, SPBK, Zystofix, SPF, Blasenfistel.
Die Hauptvorteile dieser Art der Harnableitung bestehen darin, dass Verletzungen der Harnröhre vermieden werden, es zu etwas weniger Infektionen der Harnblase und Nieren kommt und v.a. die Möglichkeit zum Blasentraining besteht, da die Harnblase auf natürliche Art über die Harnröhre entleert werden kann.
Während der Blasendauerkatheter auch vom Pflegepersonal schnell und einfach gelegt werden kann, bedeutet die Anlage eines Bauchdeckenblasenkatheters einen ärztlichen Eingriff. Nicht jeder Hausarzt kann Bauchdeckenblasenkatheter wechseln und daher müssen Patienten für den Wechsel zum Urologen.
Vorerkrankungen wie Operationen am Unterleib oder an der Blase, sowie die im Rahmen der Sekundärprophylaxe (Schutz vor neuem Schlaganfall) notwendige „Blutverdünnung“ (Antikoagulation) kann das Legen eines Bauchdecke-Blasenkatheters erschweren, das Risiko für Komplikationen (z.B. Blutungen) erhöhen oder in seltenen Fällen sogar verhindern.
Gelingt das Entfernen des Blasendauerkatheters oder Bauchdecke-Blasenkatheters und es bleibt eine Urininkontinenz bestehen, kommt bei Männern eine Versorgung mit einem Kondom-Urinal infrage. Hierbei wird ein Klebekondom über den Penis gerollt und mit einem Urinbeutel verbunden. Damit lässt sich in den meisten Fällen eine zufriedenstellende Versorgung ermöglichen. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Produkte führen auch nur in sehr seltenen Fällen zu einer Hautreizung.
Auffangbeutel werden sowohl bei der Katheter- als auch bei der Kondomversorgung benötigt. Prinzipiell werden geschlossene Systeme angewandt. Diese sind bei Katheterversorgung nötig, um eine bakterielle Entzündung der Blase oder Nieren zu verhindern. Das Material ist dann häufig steril verpackt. Die meisten Krankenkassen sind dazu übergegangen, pro Monat nur 3 dieser Systeme zu bezahlen.
Das Problem bei diesen Beuteln ist jedoch, dass sie selten unter der Kleidung getragen werden können und dann offen am Rollstuhl hängen. Zum Einsatz kommen außerdem spezielle Beutel, die mit elastischen Bändern am Bein befestigt werden und Beutel, die für die Nacht benötigt werden und entweder am Bett eingehängt werden oder in der häuslichen Umgebung bei entsprechender Länge des zuführenden Schlauchs einfach am Boden liegen.
Für die Versorgung bei Stuhlinkontinenz gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Hauptaugenmerk sollte immer auf dem Erreichen einer “sozialen Kontinenz” liegen. Dies bedeutet, dass mit entsprechenden stuhlregulierenden Maßnahmen die Konsistenz, das heißt, „Härte/Festigkeit“ und „Formbarkeit“ des Stuhlgangs der Kraft des Analschließmuskels anzupassen.
Hierbei sollte der Stuhlgang umso fester gehalten werden, je schwächer der Analschließmuskel ist. Hierdurch wird eine ausreichende Stuhlentleerung täglich oder in einem zwei- bis mehrtägigen Abführintervall eine ausreichende Stuhlentleerung ermöglicht. Zudem werden idealerweise keine weiteren Schutzmaßnahmen wie aufsaugendes Inkontinenzmaterial nötig.
Die Bezeichnung „Windel“ wird für Erwachsene nicht benutzt. Das „Abführprogramm“ beinhaltet zudem Medikamente, die die Festigkeit des Stuhlgangs beeinflussen, z.B. Präparate mit Macrogol, Lactulose, aber auch Abführtropfen wie Natriumpicosulfat in Kombination mit solchen, die die Stuhlentleerung direkt auslösen, meist in Zäpfchenform.
Sie setzen z.B. im Enddarm CO2 frei und lösen über die Dehnung der Darmwand den Entleerungsvorgang aus. Es kann aber auch die so genannte Darmirrigation ins Auge gefasst werden. Diese Methode ist im Prinzip nichts anderes als ein Einlauf, der über eine Pumpe und einen kleinen Katheter in den Enddarm eingeführt wird. Nach einer Erprobungsphase kann damit ein gutes Abführergebnis erzielt werden und die Intervalle zwischen den Stuhlgängen nicht selten auf 3 Tage ausgedehnt werden.
Eine für Schlaganfallpatienten eher seltene Möglichkeit, Kontinenz zu erreichen sind künstliche Sphinkteren und Stimulatoren, die direkt an den Nervenwurzeln ansetzen.
Kostenübernahmen
Die gesetzliche Grundlage für die Hilfsmittelversorgung ist in § 33 SGB V Hilfsmittel, sowie § 139 SGB V Hilfsmittelverzeichnis geregelt.
Es gilt für alle Hilfsmittel, dass diese nur ausgeliefert werden können, wenn sie vorab genehmigt worden sind. Der Genehmigungsprozess dauert dabei unterschiedlich lange. Dies hängt nicht zuletzt von der Komplexität des einzelnen Hilfsmittels ab.
Einzelne „einfache” Hilfsmittel wie z.B. ein saugendes Inkontinenzmaterial oder ein Rutschbrett für den Transfer, werden häufig bereits ohne Genehmigung durch die zuständigen Sanitätshäuser ausgeliefert. Jedes individuell angefertigte Hilfsmittel bedarf jedoch vorher einer Genehmigung und kann erst nach Erteilung der Kostenübernahme in Auftrag gegeben werden.
Hinzu kommt, dass die Kosten für Hilfsmittel entweder durch die Krankenkasse (solche die dem Ausgleich oder der Vorbeugung einer Behinderung dienen) oder durch die Pflegekasse (Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach § 40, SGB XI) übernommen werden.
Hier gilt es nicht selten, hartnäckig zu bleiben und mit den Kostenträgern Kontakt aufzunehmen und „Überzeugungsarbeit“ zu leisten.
Sie haben eine Frage zur Hilfsmittelversorgung? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
- Pflegebedürftigkeit nach dem Schlaganfall: Vom Antrag zum Pflegegrad
- Pflegegeld für häusliche Pflege
- Pflegesachleistungen für häusliche Pflege
Diesen Artikel teilen oder drucken
Der Autor
Dr. med. Hans Brunner
Oberarzt/Neurologie
Facharzt für Neurologie, Nervenheilkunde
Arzt für Schlafmedizin, Sportmedizin, physikalische Therapie
Schön Klinik Bad Aibling SE & Co. KG
Kolbermoorer Str. 72
83043 Bad Aibling
http://www.schoen-klinik.de
Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.