Stammganglieninfarkt ▷ Definition, Symptome, Behandlung und Prognose
Stammganglien im menschlichen Gehirn (Foto: decade3d – anatomy online | Shutterstock)
In diesem Artikel:
Was sind die Stammganglien?
Die Stammganglien sind Ansammlungen von Nervenzellen (Ganglien), welche beiderseits tief im unteren Bereich des Großhirns und im Mittelhirn liegen. In der Abbildung oben sind sie rot-orange wiedergegeben. Die anatomischen Bezeichnungen der einzelnen Kerngebiete sind: Striatum (Putamen und Nucleus caudatus), Pallidum, Substantia nigra und Nucleus subthalamicus. Sie erhalten Nervenimpulse u.a. sowohl vom Großhirn als auch vom peripheren Nervensystem, z. B. von den Armen und Beinen.
Was ist die Funktion der Stammganglien?
Die Stammganglien spielen eine wesentliche Rolle für den geordneten Ablauf aller Bewegungen des Körpers. Sie regulieren komplexe motorische Abläufe wie z.B. das Gehen, handwerkliche Tätigkeiten, Klavierspielen, Fahrradfahren oder Tennisspielen. Die Stammganglien sind auch verantwortlich für die unwillkürlichen Bewegungen.
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Eine typische, nicht durch einen Schlaganfall verursachte Erkrankung der Stammganglien ist das weltweit verbreitete Parkinson-Syndrom. Es ist eine Stoffwechselstörung des Gehirns durch Dopamin-Mangel. Die häufigsten Symptome sind unwillkürliches Zittern (Tremor), Verlangsamung aller Bewegungen des Körpers und Gesichts (Akinese) und Steifheit der Muskulatur (Rigor).
Botenstoffe bzw. Neurotransmitter der Stammganglien sind:
- Dopamin: Das sogenannte Glückshormon besitzt eine erregende Funktion auf die Nerventätigkeit.
- Acetylcholin: Als Neurotransmitter hat es eine wesentliche Rolle für die Regulation vieler Körperfunktionen. Z. B. bei der Übertragung von elektrischen Nervenimpulsen auf die Muskulatur, die willkürliche Bewegungen ausführt.
- Gamma-Amino-Buttersäure (GABA): Sie übt eine hemmende Funktion auf die Nerventätigkeit aus, wie z. B. bei einer Epilepsie, dem „elektrischen Hirnkrampf“.
Mögliche Symptome eines Stammganglieninfarkts
Häufig betrifft ein Stammganglieninfarkt auch die umgebenden Nervenstrukturen der Stammganglien und richtet damit größeren Schaden an. Das bedeutet, dass auch Nervenzellen und -bahnen geschädigt werden, welche andere und sehr wichtige Funktionen ausüben.
Ein Beispiel: Da die Stammganglien im Hirngewebe direkt an die sogenannte Capsula interna angrenzen, können die Sehbahn und die zentrale Nervenbahn (Pyramidenbahn) geschädigt werden. Beide verlaufen durch die Capsula Interna und sind für die Übermittlung der Impulse des Großhirns an die willkürliche Muskulatur zuständig.
Die wichtigsten und plötzlich auftretenden Symptome, die auch von Laien durch den FAST-Test festgestellt werden können, sind je nach Lokalisation und Ausdehnung der Hirnschädigung:
- Einseitig herabhängender Mundwinkel
- Auf der Gegenseite Halbseitenlähmung (Hemiparese bis Hemiplegie)
- Aphasie (Sprachstörung)1
- Hemianopsie (Gesichtsfeldeinschränkung)
- Tremor (Zittern im Bereich der Extremitäten oder des Kopfes)
- Koordinationsstörungen
- Sensibilitätsstörungen (Einschränkung oder Verlust von Empfindungen wie Berührung, Schmerz oder Temperatur
- Kognitive Einschränkungen i.R. einer vaskulären Demenz2
Was sind mögliche Ursachen?
Häufigste Ursache von Infarkten im Bereich der Stammganglien ist ein Verschluss der kaliberstarken mittleren Hirnarterie (Arteria cerebri media), bedingt durch ein Blutgerinnsel.
Dieses kann aus dem Herzen z. B. bei Vorhofflimmern oder von arteriosklerotischen Einengungen der großen Körperschlagader (Aorta) oder den hirnzuführenden Arterien im vorderen Halsbereich (“Halsschlagader”) in den Hirnkreislauf gelangen. Hierdurch wird ein sogenannter territorialer Stammganglieninfarkt verursacht.
Der Bluthochdruck, die arterielle Hypertonie, führt zu arteriosklerotischen Veränderungen bis hin zum Gefäßverschluss sowohl kaliberstarker als auch kaliberschwacher, dünner Arterien. Sind diese feinen Blutgefäße betroffen, entstehen kleinere Hirninfarkte mit einem Durchmesser von bis zu 15 mm. Diese werden dann als lakunäre Infarkte bezeichnet.
Wenn z. B. bei einem starken Anstieg des Blutdrucks, einer sogenannten hypertonen Krise, ein Gefäß platzt, kann es zu einer lebensbedrohlichen Stammganglienblutung kommen.
Symptome sind:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Bewusstseinsstörung
- Halbseitenlähmung auf der Gegenseite
- Gesichtsfeldeinschränkung
- Aphasische Sprachstörungen
und andere Symptome, welche beim Stammganglieninfarkt erwähnt wurden.
Behandlung
In der Notaufnahme des Krankenhauses wird nach den ärztlichen, neurologischen Untersuchungen schnellstmöglich unter dem Motto „Zeit ist Hirn” die Computertomographie (CT) veranlasst. Sie kann die zunächst wichtigste Frage beantworten, ob und in welchem Ausmaß eine Minderdurchblutung (Ischämie) oder eine Blutung als Ursache des Schlaganfalls vorliegt. Danach kann bei einer Ischämie entschieden werden, ob die medikamentöse Auflösung eines Blutgerinnsels (Lyse-Therapie) und/oder die Entfernung (Thrombektomie) durch Neuroradiologen erfolgen soll.
Bei einer Blutung kann es sinnvoll werden, einen Neurochirurgen oder eine Neurochirurgin hinzuzuziehen, mit der Frage, ob ein operativer Eingriff notwendig ist.
Die weitere Akutbehandlung erfolgt auf der Stroke Unit, der Überwachungsstation für Schlaganfall-PatientInnen. Danach wird durch eine gezielte und intensive Neurorehabilitation stationär und ambulant oft mit gutem Erfolg versucht, die körperlichen, geistigen und seelischen Folgen des Schlaganfalls zu verbessern.
Prognose
Der weitere Verlauf nach einem Stammganglieninfarkt oder einer -blutung wird von der Ausdehnung der betroffenen Hirnregion bestimmt. Grundsätzlich haben kleinere, lakunäre Infarkte eine bessere Prognose als territoriale Infarkte, welche einen größeren Hirnbereich betreffen. Nach einem Stammganglieninfarkt oder einer Stammganglienblutung treten nicht selten gravierende und behindernde Beeinträchtigungen auf, welche dauerhaft das weitere Leben bestimmen. Allerdings existieren für diese schwere Phase vielfältige Hilfen, um die Lebensqualität zu verbessern.
- Was ist ein Schlaganfall?
- Welche Symptome treten bei einem Schlaganfall auf?
- Risikofaktoren für einen Schlaganfall
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Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Aphasia in vascular lesions of the basal ganglia: A comprehensive review – Autoren: MarciaRadanovica, Leticia LessaMansurb – Publikation: Brain and Language Volume 173, October 2017, Pages 20-32 – DOI: 10.1016/j.bandl.2017.05.003
- Vaskuläre Demenz: Wie erkennen und behandeln? – Autoren: Hamann, Gerhard F. – Publikation: Dtsch Arztebl 2015; 112(49): [7]; – DOI: https://doi.org/10.3238/PersNeuro.2015.12.04.02