Demenz ist nicht gleich Alzheimer und hat viele Ursachen, auch gefäßbedingte ▷ Studie
Warum nehmen Demenzerkrankungen zu?
Demenz ist gerade in den westlichen Industriestaaten ein zunehmendes Gesundheitsproblem und findet entsprechend großes Interesse in den Medien.
Dabei wird die Demenz häufig mit dem Namen Alzheimer gleichgesetzt, während im klinischen Alltag die Alzheimer-Demenz nur eine von vielen unterschiedlichen Demenzformen darstellt.
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Demenz hat ganz wesentlich mit dem Altern zu tun und auch hier stimmt die Aussage, dass wir dadurch, dass wir zunehmend älter werden, gewisse Krankheiten er-leben.
Was verursacht die Alzheimer-Demenz?
Die Alzheimer-Demenz ist insbesondere gekennzeichnet durch bestimmte Ablagerungen wie dem beta-Amyloid und den sogenannten Tau-Fibrillen.
Während beide Substanzen schon lange bekannt sind, ist die Ursache ihrer Entstehung noch nicht abschließend geklärt. Neuere Untersuchungen diskutieren sogar eine sekundäre Genese aufgrund entzündlicher Vorgänge, die dann erst im Rahmen von Abwehrvorgängen zu einer reaktiven Bildung dieser Substanzen führen.
Jedenfalls gilt die Alzheimer-Demenz auch heute noch als unheilbare Erkrankung. Auch neueste therapeutische Ansätze einer Bindung dieser pathologischen Ablagerungen haben nur zu einer Verlangsamung des Krankheitsprozesses, nicht aber zu einer Heilung geführt. Sie sind zudem noch mit relevanten Nebenwirkungen behaftet.
Was verursacht die vaskuläre Demenz?
Während die Alzheimer-Demenz in unseren Ländern etwa zwei Drittel bis drei Viertel aller Krankheitsfälle ausmacht, ist die vaskuläre Demenz für etwa 15 – 20 Prozent verantwortlich.
Auch hier spielt natürlich das zunehmende Alter mit den typischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen eine große Rolle.
Die Studie
Eine neue Studie, die gerade in dem renommierten amerikanischen Fach-Journal „Circulation“ erschienen ist, befasst sich speziell mit diesem Thema:
Das Wichtige an diesem Artikel ist, dass darin speziell auf die intrakranielle, also im Schädel stattfindende, arteriosklerotische Gefäßerkrankung eingegangen wird.
Dies in Abgrenzung zu der in den meisten bisherigen Untersuchungen erfassten Erkrankung der kleinen Gefäße des Gehirns, welche in der Regel erst sekundär durch daraus resultierende Veränderungen der weißen Hirnsubstanz, feinen, klinisch gar nicht in Erscheinung tretenden sogenannten lakunären Hirninfarkten und Mikroblutungen diagnostiziert wird.
In dieser Studie wird dagegen die intrakranielle arteriosklerotische Erkrankung direkt durch die entsprechenden Gefäßveränderungen, also Gefäßwandverdickungen und Einengungen des Gefäßdurchmessers, definiert.
Insgesamt konnten bei dieser großangelegten, prospektiven, also vorausschauenden Studie 1590 Teilnehmer eingeschlossen werden. Bei allen konnten spezielle MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. Sie wiesen zur Zeit des Studienbeginns keine Anzeichen einer Demenz auf und wurden über einen Zeitraum von 5,6 Jahren nachverfolgt.
Das mittlere Alter der Probanden betrug zu Beginn der Untersuchung 77,4 Jahre und es wiesen 34,6 % bereits eine intrakranielle Arteriosklerose auf. 5,6 Jahre nach Studienbeginn wurde bei 286 Probanden eine Demenz festgestellt.
Es war statistisch eindeutig nachzuweisen, dass die Arteriosklerose der Gefäße im Schädelinneren einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung einer Demenz hatte. Das Vorhandensein bereits einer Einengung von < 50% führte schon zu einer 50 %igen Risikoerhöhung, an einer Demenz zu erkranken. Eine Einengung von > 50% und noch an mehreren Gefäßen verdoppelte das Risiko fast gegenüber den Menschen, die keine arteriosklerotischen Veränderungen aufwiesen. Andere wichtige Risikofaktoren wie die Erkrankung der feinen Hirngefäße, Fettstoffwechselstörungen und andere Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wurden dabei in der Auswertung statistisch herausgerechnet.
Was bedeutet diese Studie?
Warum ist diese Untersuchung nun so wichtig? Gehen wir einmal davon aus, dass rund ein Fünftel der Demenzerkrankungen durch Gefäßverengungen und chronische Minderdurchblutung hervorgerufen werden, so zeigt diese Studie, dass, ähnlich wie am Herzen, arteriosklerotische Gefäßwandverdickungen mit nachfolgender Einengung des Gefäßes einen wesentlichen Anteil haben.
Diesen Erkrankungen kann man vorbeugen, durch konsequente Verminderung aller Risikofaktoren, Behandlung von Diabetes und Fettstoffwechselstörungen und entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen. Zudem besteht je nach Lage, Gefäßgröße und Art der Einengung sogar eine operative oder interventionelle Behandlungsmöglichkeit durch Verminderung der Einengungen. Zur Verhinderung der Entstehung von Blutgerinnseln an den Engstellen stehenmedikamentöse Therapieoptionen zur Blutverdünnung zur Verfügung.
Auch ist davon auszugehen, dass relevante Einengungen der extrakraniellen, also außerhalb des Schädels gelegenen Arterien, insbesondere also der Halsschlagadern, zusätzlich für die in dieser Studie erhobenen Befunde mitverantwortlich sind.
Durch Verminderung des Blutflusses und durch Verschleppung feinster Gerinnsel, wie sie sich an den rauen verkalkten Engstellen häufig bilden. Hier kann man erfolgreich therapieren, neben der Beseitigung der Engstellen, insbesondere durch konsequente Gabe eines Blutverdünners zur Vermeidung der Gerinnselbildung.
Zusammengefasst ist die Demenz auch heute noch ein Buch mit vielleicht nicht mehr sieben, aber doch noch fünf Siegeln. Dies gilt insbesondere für die wohl häufigste Form der Alzheimer-Demenz, die auch mit neuesten Medikamenten bestenfalls im Verlauf zu verlangsamen, nicht aber zu heilen ist.
Umso wichtiger ist es, auch an die vaskulären, also durch die Arteriosklerose verursachten Formen zu denken und sie zu diagnostizieren, denn hier haben wir neben den vorbeugenden auch noch therapeutische Optionen, die wir nutzen sollten zum Wohle unserer älteren Patienten.
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Autor
Prof. Dr. med. Rainer Moosdorf widmet sich seit mehr als 35 Jahren der Herz- und Gefäßchirurgie. Die Schwerpunkte innerhalb der Herz- und Gefäßchirurgie sind Laser- und Arrhythmiechirurgie, endovaskuläre Verfahren einschließlich TAVI’s und endovaskuläre Rekonstruktionen des Aortenbogens, rekonstruktive Chirurgie der Herzkranzgefäße und noch einige Arten der “Französischen Korrektur”. Als Vorstandsvorsitzender des “Medizinischen Netzwerks Hessen” ist er offizieller Vertreter des Landes Hessen auf dem Gebiet der klinischen Medizin und der medizinischen Ausbildung. [mehr]