Großhirn und Schlaganfall ▷ Aufbau, Lage, Funktion
In diesem Artikel:
- Peripheres und Zentrales Nervensystem
- Aussehen und Lage
- Aufbau und Funktion
- Erkrankungen des Großhirns und Defizite beim Schlaganfall
Peripheres und Zentrales Nervensystem
Das Nervensystem lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: das Periphere Nervensystem (PNS) und das Zentrale Nervensystem (ZNS).
Das PNS umfasst die vom Rückenmark abgehenden Nervenwurzeln und die aus ihnen hervorgehenden, in verschiedene Körperregionen ziehenden Nerven.
Beim Schlaganfall ist das ZNS betroffen. Es wird unterteilt in
- das vom hinteren Teil der Wirbelsäule umgebene Rückenmark,
- das sich diesem nach oben anschließende Stammhirn (Hirnstamm, Truncus encephali) mit verlängertem Mark (Medulla oblongata), Brücke (Pons) und Mittelhirn (Mesencephalon),
- das ihm aufsitzende Zwischenhirn (Diencephalon),
- das dem Stammhirn nach hinten anliegende Kleinhirn (Cerebellum, mitunter zum Stammhirn gezählt)
- und das von oben umschließende Großhirn (= Endhirn, Telencephalon).
Das Gehirn des Erwachsenen wiegt bei Männern etwa 1350 – 1550 g und bei Frauen 1200 – 1350 g. Die Hirnfunktion und Hirnleistungsfähigkeit haben mit dem Gewichtsunterschied jedoch nichts zu tun.
Das Großhirn
Das Großhirn ist die menschliche Schaltzentrale. Sie wird oft herangezogen, um die Unterschiede zwischen Mensch und Tier zu erklären.
Aussehen und Lage
Von außen betrachtet macht das Großhirn einen eher unansehnlichen Eindruck. Es wirkt wie das Innere einer Walnuss oder wie ein Blumenkohl, schwammartig weich und weißlich glänzend. Das Großhirn besteht überwiegend aus Fett.
Seine Oberfläche prägen Wölbungen (Gyri cerebrales) und Furchen (Sulci cerebrales), in denen Blutgefäße verlaufen. Diese Struktur kommt dadurch zustande, dass die Rinde (Kortex, Cortex cerebralis) des Großhirns stark eingefaltet ist. Eine an sich viel größere Oberfläche (1800 cm2, 2/3 eingefaltet) findet so im Schädel Platz.
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Und doch ist dieser in der Ansicht wenig beeindruckende Hirnteil eine Sensation an Komplexität und Funktion. Das Großhirn kann unvorstellbare Mengen an Informationen verarbeiten, speichern und komplexe Prozesse steuern. Dazu gehören auch Emotionen. Hier werden uns Ereignisse bewusst, Absichten und Pläne entwickelt und letztlich Handlungen veranlasst.
Allein die Rinde des Großhirns besteht aus 16 Milliarden Nervenzellen, von denen jede wiederum an bis zu 100.000 Stellen (Synapsen) miteinander im Kontakt stehen können. In seinen zahlenmäßigen Dimensionen und bezogen auf das gesamte ZNS ist das extrem komplexe neuronale Netzwerk mit dem uns bekannten Teil des Weltalls vergleichbar.
Insofern sind die folgenden Beschreibungen des Aufbaus und seiner Funktion bzw. von deren Lokalisation in bestimmten Großhirnteilen eine sehr starke Vereinfachung. Um die Folgen von Schlaganfällen besser zu verstehen, bietet sich das aber an.
Aufbau und Funktionen
Das Großhirn (Zerebrum, Cerebrum; Endhirn, Telencephalon) ist wie jedes Gewebe im Körper aus verschiedenen Zellen aufgebaut. Die Nervenzellen (Neuronen) mit ihren Fortsätzen (Axonen, Neuriten) dienen in erster Linie der Signalübertragung und -verarbeitung.
Ganz besonders charakteristisch sind die großen Pyramidenzellen. Sie liegen in mehreren Schichten in der Hirnrinde (Kortex, Cortex). Dazu gibt es benachbarte Zellen (Begleit- und Stützzellen, Glia).
Manche jener Zellen sind beteiligt an einer Grenzschicht zum übrigen Körper und dessen Blutkreislauf, der Blut-Hirn-Schranke. Diese Abgrenzung sorgt dafür, dass im Großhirn ein ganz eigenes Milieu von Zellen, Stoffen und Stoffwechsel herrscht. Auch Krankheitserreger und Medikamente können dadurch nicht (alle) mit dem Großhirn in Kontakt treten. Diese und andere Stützzellen haben Anteil an der Abwehr (Immunität) des Großhirns.
Das Großhirn schwimmt wie die anderen Hirnanteile im Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis). Es ist umgeben von den Hirnhäuten (Meningen) und gut geschützt durch den knöchernen Schädel. In ihm selbst befinden sich von Nervenwasser gefüllte Binnenräume, die Ventrikel.
Es gibt Teile des Großhirns, die auch als „graue Substanz” bezeichnet werden. In ihnen liegen vor allem Nervenzellkörper wie in der oberflächlichen Hirnrinde oder den tiefen Basalganglien. Die übrigen Großhirnareale enthalten vor allem Nervenzellfortsätze, also Signal-Leitungsbahnen. Diese nennt man „weiße Substanz”. Graue und weiße Substanz lassen sich mit bloßem Auge erkennen, wenn das Großhirn im Rahmen einer Autopsie in Schichten geschnitten oder durch eine Schnittbildgebung (Computertomographie, CT; Magnetresonanztomographie, MRT) dargestellt wird.
Das Großhirn bildet zwei konvexe Hälften, die Hemisphären. Eine Längsfurche und eine in ihr verlaufende, recht harte und sichelförmige Bindegewebsplatte (Falx cerebri) trennen sie. Allerdings stehen die Hemisphären über viele Nervenbahnen und deren Mittelstruktur (Balken, Corpus callosum) unterhalb dieser Hirnsichel miteinander in Verbindung.
Oberflächliche Anteile (Großhirnrinde)
Man teilt die Bereiche des Großhirns in sogenannte Lappen ein. Diese sind jeweils für jede Hemisphäre der Vorderlappen (Stirnlappen, Lobus frontalis), der Scheitellappen (Parietallappen, Lobus parietalis), der Hinterhauptlappen (Okzipitallappen, Lobus occipitalis), und der Schläfenlappen (Temporallappen, Lobus temporalis). Ferner gehören noch der Insellappen (Lobus insularis) und der limbische Lappen (Lobus limbicus) hinzu.
Die Lappen werden durch bestimmte Furchen (Sulci) voneinander abgegrenzt. Die meisten Lappen sind an der äußeren Hirnoberfläche zu sehen, während der Insellappen seitlich eingefaltet liegt und der limbische Lappen an der mittigen Innenseite der Hirnhälften. Eng mit dem limbischen Lappen verbunden ist ein entwicklungsgeschichtlich besonders alter Teil der Hirnrinde, der Hippocampus. Er liegt eng benachbart zum Balken, welcher die beiden Großhirnhemisphären verbindet.
Diesen Bereichen des Großhirns werden vereinfacht bestimmte Funktionen zugeordnet:
Vorderlappen
Sie liegen hinter der Stirn und über den Riechkolben in der vorderen Schädelgrube.
Die Vorderlappen sind insbesondere für den Antrieb, die Motivation und zusammen mit anderen Zentren für die Blicksteuerung wichtig. Außerdem befinden sich im hinteren Teil des Vorderlappens unmittelbar vor der Zentralfurche (Sulcus centralis) wichtige Teile der motorischen Zentren, also der Muskel- und Bewegungssteuerung.
Eine Schädigung des Vorderlappens kann sowohl zu Hemmungs- (Apathie), als auch Enthemmungsphänomenen und Blickabweichungen führen. Sofern der hintere Teil betroffen ist, auch zu Halbseitenlähmungen.
Weil ein Teil des Vorderlappens die Sprachmotorik bedient, können auch, meist wenn die linke Seite des Gehirns betroffen ist, Sprachstörungen (Aphasie) die Folge sein. Eine Schädigung des rechten Vorderlappens in diesem Bereich führt typischerweise zu einer Sprechstörung (Artikulationsstörung mit undeutlicher, aber sinnvoller Sprache).
Die vordere Hälfte des Vorderlappens hat neben den erwähnten Antriebsfunktionen mit psychischen Leistungen zu tun. Schädigungen hier haben Einbußen intellektueller Kontrolle zur Folge, wie Pläne für die Zukunft zu machen oder über Probleme nachzudenken.
Scheitellappen
Die Scheitellappen umfassen ein großes Hirnrinden- und Funktionsgebiet, das vor allem der Sinneswahrnehmung dient. Hierzu gehören die Funktionen der Gefühlswahrnehmungen (Berührungsreize und Tiefensensibilität), seelische und Wesensausprägungen sowie die Wahrnehmung der Umgebung und des eigenen Körpers (meist rechte Hemisphäre).
Eine Schädigung des Scheitellappens führt zu einer Gefühlsstörung der gegenüberliegenden Körperregionen, eine Schädigung des rechten Seitenlappens zu einer Vernachlässigung der Umgebung der linken Körperseite, dem sogenannten Neglect.
Schläfenlappen
Die Schläfenlappen enthalten wichtige Zentren der Gedächtnisbildung, des Hörens und der Sprache.
Insbesondere chronische Schädigungen der Schläfenlappen können zu Vergesslichkeit führen. Je nach Seite und Areal des Schläfenlappens kann bei Schädigung auch hier eine Sprachstörung (Aphasie mit flüssiger, aber nicht sinnvoller Sprache) vorkommen. Des Weiteren kommt es zu Hörstörungen bzw. Verständnisproblemen des Gehörten. Weil auch teilweise Leitungsbahnen des Sehens (Sehstrahlung) durch den Schläfenlappen verlaufen, kann zudem ein Defizit im Sichtfeld auftreten.
Hinterhauptlappen
Die im Hinterkopf gelegenen Hinterhauptlappen enthalten vor allem Teile der Sehstrahlung und die Sehzentren. Aufgrund der Fülle und Vielseitigkeit der Seheindrücke und ihrer Interpretierbarkeit nimmt das Sehzentrum (primäre und sekundäre Sehrinde) den gesamten Hinterhauptlappen ein. Und zwar vor allem den zur Mitte hin eingefalteten Teil. Somit kommt es bei Schädigungen der Hinterhauptlappen zu Sehstörungen bzw. Sichtfelddefekten. „Es fehlt etwas vom Bild.“
Limbische Lappen und Hippocampus
Sie gehören zum limbischen System und steuern emotionale Vorgänge, unsere Motivation, Lern- und Gedächtnisleistungen. Ihre Schädigung führt zu entsprechenden Störungen.
Die Körperregionen sind auf der Großhirnoberfläche abgebildet. Bestimmte Großhirnbereiche sind für die motorische Kontrolle bzw. die Gefühlswahrnehmung aus den jeweiligen Körperregionen zuständig.
Während die Beinregion sich auf der eingefalteten Innenseite der Hirnhälften befindet, verteilen sich die übrigen Körperteile in bestimmter Anordnung auf die Außenseiten des Großhirns. Dabei nehmen die besonders „geschickten“ oder „gefühlsintensiven“ Körperregionen wie Finger, Zunge und Lippen auch besonders große Flächen auf der Hirnrinde ein.
Da die relevanten Nervenbahnen der Muskelaktivierung (Motorik) und der Sinnes- und Gefühlsleitung (Sensorik) im Rückenmark zur anderen Seite kreuzen, wirken sich Schädigungen der Großhirnhälften meistens auf die gegenüberliegenden Körperseiten aus.
Tiefe Anteile (Großhirnmark und Basalganglien)
Unterhalb der Großhirnrinde liegen Nerven-Signalbahnen („weiße Substanz“), die viele Hirnzentren und die beiden Hirnhälften miteinander verbinden. Letztere Verbindungen nennt man Kommissuren. Eine besonders wichtige Verbindungsebene zwischen den Hirnhälften ist der Balken (Corpus callosum). Dieser verschaltet gleiche bzw. korrespondierende Bereiche der Hirnhälften miteinander und ermöglicht so ein enges Zusammenwirken beider Hirnhälften bei allen Teilaufgaben.
Verbindungen, die innerhalb einer Hirnhälfte Zentren miteinander verbinden, heißen Assoziationsbahnen.
Verbindungen des Großhirns zu anderen Teilen des zentralen Nervensystems wie zum Kleinhirn oder Rückenmark werden als Projektionsbahnen bezeichnet. Ein besonders wichtiges Projektionsbahnsystem, das die meisten motorischen und sensorischen Verbindungen zwischen Hirnrinde und Außenwelt enthält, verläuft in einem sehr engen Raum zwischen tiefer gelegenen Großhirnkernen, der inneren Kapsel (Casula interna). Weiter oben fächert sie sich auf in die Corona radiata.
Die Funktionen der Bahnen sind dort ebenso wie die Verteilung der Körperregionen und -funktionen auf der Hirnrinde, in einer ganz genauen Weise angeordnet. Bahnen, die Signale aus der Außenwelt wie Sinneswahrnehmungen zum Großhirn führen, nennt man afferent. Solche, die Signale vom Großhirn nach außen führen (z. B. für Muskelaktivierungen), nennt man efferent.
Wie auch nach Schädigungen der Hirnrinde kann eine Schädigung der Nervenbahnen in diesen tiefer gelegenen Bereichen des Großhirns sehr ähnliche, aber oft schwerwiegendere Auswirkungen und Funktionsausfälle haben. Das Muskelbefehlszentrum kann dann z. B. intakt sein, aber seine Verbindung nach außen nicht.
Der Grund ist, dass die räumliche Anordnung der Fasern besonders im Bereich der inneren Kapsel sehr viel gedrängter auf kleinem Raum vorliegt. Dadurch kann eine sehr kleine Läsion wie eine kleine Hirnblutung in der inneren Kapsel sehr viel weitreichendere Folgen haben. Eine komplette Gefühlsstörung und Lähmung einer Körperhälfte ist dann wahrscheinlicher, als wenn eine gleichgroße Läsion in der Hirnrinde aufträte.
Welche Störungen bei Schädigungen der weißen Substanz des Großhirns auftreten, hängt davon ab, wo und wie ausgedehnt die Hirnläsion ist. Durch eine einzige Läsion können sich Störungen ergeben, die sehr vielfältige Funktionen wie die Bewegung und Kraft, das Sprechen, Fühlen oder Hören betreffen.
Die oben beschriebenen Bahnen der weißen Substanz unterhalb der Großhirnrinde verbinden diese mit tiefer gelegenen Kernen, die wie die Hirnrinde zur grauen Substanz zählen. Zu diesen subkortikalen Kernen gehören die Basalganglien und weitere Kerngebiete.
Die Basalganglien gliedern sich in den Schweifkern (Nucleus caudatus) und den Schalenkörper (Putamen). Weil beide Gebiete durch streifenförmige Brücken verbunden werden, nennt man sie zusammen auch Streifenkörper (Corpus striatum).
Basalganglien gehören zum motorischen System und dienen der Bewegungssteuerung. Ihre und weitere ihnen zugehörige Hirnzentren führen daher bei Schädigung zu Bewegungsstörungen. Die häufigste und bekannteste ist die Parkinsonkrankheit. Aber auch Schlaganfälle im Bereich der Basalganglien können Bewegungsstörungen mit Unter- oder Überbeweglichkeit und vor allem mit Kontrollverlust über die Bewegungssteuerung zur Folge haben.
Unter den weiteren tiefer gelegenen Kernen des Großhirns ist der Mandelkörper (Amygdala, Corpus amygdaloideum) erwähnenswert. Dieser gehört zum limbischen System und ist wichtig für das Denken, Lernen, aber auch die Steuerung von vegetativen Funktionen.
Nervenwasserräume
Das Großhirn hat Binnenräume. In den Kammern (Ventrikeln) wird das klare Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) produziert, das sie langsam durchfließt. Es gibt den inneren Liquorraum und den äußeren. Letzterer umgibt das Großhirn und schützt es vor leichteren Erschütterungen.
Darüber hinaus hat das Nervenwasser Stoffaustausch- und Transportfunktionen. Beide Liquorräume, die nicht nur das Großhirn, sondern auch andere Teile des ZNS betreffen, stehen miteinander über enge Kanäle in Kontakt.
Verschiedene Erkrankungen können über eine Unter- oder Überproduktion, vor allem aber durch Verschlüsse im Nervenwasserkreislauf zu einem Unter- oder Überdruck führen. Letzteres ist meist mit einem Aufstau verbunden. Ein solcher Aufstau kann zu einem Wasserkopf (Hydrozephalus) führen und je nach Geschwindigkeit seiner Entwicklung lebensbedrohliche Folgen haben.
Das Kammersystem des Großhirns besteht außerdem aus zwei in Annäherung C-förmigen Seitenventrikeln (Ventriculi laterales), die im Inneren der beiden Großhirnhälften liegen. Über kleine Löcher (Foramen interventriculare Monro) fließt das Nervenwasser aus den Seitenventrikeln in den unpaarigen dritten Ventrikel im Zwischenhirn und von dort weiter.
In den Seitenventrikeln liegen feine Blutgefäßnetze (Plexus choroideus), aus denen heraus das Nervenwasser gebildet wird. An der äußeren Oberfläche des Großhirns liegen im Nervenwasser kleine Zotten (Granulationes arachnoidales Pacchioni), die in das Venensystem übergehen und über die das Nervenwasser wieder ins Kreislaufsystem aufgenommen werden kann. Die harte Hirnhaut bildet außerdem die venösen Blutleiter (Sinus durae matris, s.u.).
Hüllen
Das Großhirn hat Hüllen bzw. Häute (Meningen), die ein mit Nervenwasser gefülltes, geschlossenes System bilden. Im Schädel umhüllen diese das Großhirn und die Austrittspunkte der Hirnnerven.
Der aus dem Großhirn austretende Sehnerv – letztlich ein ausgestülpter Hirnteil – ist von diesen Hüllen sogar vollständig umgeben. Das Hüllensystem ist dreischichtig.
Die weiche Hirnhaut (Pia mater) liegt dem Großhirn unmittelbar an. Die Spinnengewebshaut (Arachnoidea mater) umgibt die weiche Hirnhaut und stellt eher einen wie von Fäden (Trabekeln) durchwobenen Zwischenraum dar, der mit Nervenwasser gefüllt ist.
Ganz außen liegt die harte Hirnhaut (Dura mater), die eine derbe Schutzschicht für das Großhirn aus straffem, faserigen Bindegewebe bietet. Sie kleidet die Innenfläche des Schädels aus und bildet so gleichzeitig die innere Knochenhaut. Relevant bei Schädigungen ist vor allem ihre eigene Versorgung mit Blutgefäßen. Bei einem Unfall kann es z. B. zu sehr gefährlichen Blutungen in den Raum zwischen harter Hirnhaut und Schädelknochen kommen.
An manchen Stellen ist die harte Hirnhaut in Falten gelegt und bildet so Gewebeplatten, die Hirnanteile voneinander abgrenzen. So z. B. die Großhirnsichel (Falx cerebri), die die Großhirnhälften im oberen Abschnitt trennt und das Kleinirnzelt (Tentorium cerebelli), das das Großhirn vom Kleinhirn trennt.
Gefäßversorgung
Wie jedes andere Organ im menschlichen Körper muss auch das Gehirn über Gefäße mit Blut versorgt werden. Es ist sogar ganz besonders darauf angewiesen, weil sein Energieverbrauch gemessen an seinen Dimensionen immens ist. Obwohl das Gehirn nur 2 % des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es 20 % der gesamten Energie des Körpers. Das sind 50% mehr als das Herz, ein Muskel, der ein Leben lang etwa 3 Milliarden mal schlägt.
Für diese unfassbare Leistung ist das Gehirn auf Sauerstoff und Traubenzucker (Glukose) im Blut dringend angewiesen, denn beides kann es nicht anders beziehen oder herstellen. Werden Zellen des Gehirns, also auch des Großhirns, nicht mit Blut versorgt, stellen sie innerhalb von Minuten ihre Funktion ein und sterben kurz darauf ab.
Fast alle Blutgefäße des Großhirns stehen miteinander über Kurzschlüsse oder Gefäßäste (Anastomosen) in Verbindung, sodass sie sich ggf. ersetzen und Kollateralen bilden können. Aber der Verschluss oder das Platzen eines (größeren) Blutgefäßes kann so meistens nicht komplett ausgeglichen werden. Ein Funktionsverlust oder eine dauerhafte Hirngewebeschädigung ist möglich.
Wie im übrigen Körper unterscheidet man zwischen Arterien und Venen. Arterien führen sauerstoffreiches Blut vom Herzen zu den Hirnzellen. Venen wiederum transportieren das verbrauchte, sauerstoffarme Blut vom Gehirn zum Herzen, damit es von dort in den Lungen wieder mit Sauerstoff angefüllt werden kann.
Ebenfalls wie in anderen Organen sind die Blutgefäße weiter, je näher sie zum Herzen liegen. Um das Gehirn herum verästeln sie sich zu immer kleineren Abzweigungen. Die größeren Abschnitte, die Hauptstämme, schmiegen sich an die Oberfläche, vor allem an die Unterseite des Großhirns.
Die engeren Abschnitte verlaufen in den Hirnfurchen schließlich in die Tiefe, wo am Übergang von den kleinsten Arterien (Arteriolen) und Venen (Venolen) über die verbindenden Kapillaren der Stoffaustausch stattfindet. In den das Gewebe vollpumpenden Hirnarterien ist der Blutdruck sehr hoch, in den das Blut aus dem Gehirn sammelnden Hirnvenen niedrig.
Eine Besonderheit sind die um das Großhirn herum liegenden sammelbeckenartigen Bluträume (Sinus). Sie erhalten das verbrauchte Blut aus den kleinen Venolen und Hirnvenen, um es dann in größere Venen zum Herzen zu leiten.
Hirnarterien
Das Gehirn erhält seine Blutversorgung über vier Arterien, die Hals und Nacken durchziehen. Zwei große Halsarterien (Karotiden) verlaufen rechts und links vorn neben dem Kehlkopf und können dort auch als Puls getastet werden. Von den Karotiden tritt je eine Abzweigung im seitlichen Bereich durch knöcherne Kanäle in den Schädel ein.
Zwei Wirbelarterien (Vertebralarterien, Aa. vertebrales) verlaufen durch paarige Löcher in den Fortsätzen der Halswirbelkörper und treten dann recht geschlängelt von hinten in den Schädel ein.
Diese Versorgung über vier Zuflüsse ist durch die Zusammenschaltung der Hirnkreisläufe so wirkungsvoll, dass mitunter sogar bei Verschluss eines oder mehrerer dieser Gefäße das Gehirn noch gut funktionieren kann. Manche Schlaganfallpatienten haben bei starker Arterienverkalkung und Gefäßverengungen oder -verschlüssen nur noch ein einziges offenes dieser vier Gefäße. Ihr Leben hängt dann aber buchstäblich „am seidenen Faden“.
Man unterscheidet den vorderen und den hinteren Hirnkreislauf. Die beiden vorderen Halsarterien speisen den vorderen Hirnkreislauf, die hinteren Wirbelarterien den hinteren Hirnkreislauf. Beide Hirnkreisläufe stehen im Schädel über den arteriellen Hirn-Kreis (Circulus arteriosus cerebri oder Circulus Willis) miteinander in Kontakt.
Die arterielle Versorgung jeder Großhirnhälfte erfolgt dabei über die innere Karotis-Arterie (A. carotis interna), die beiden aus ihr hervorgehenden Hirnarterien (vordere und mittlere Arterie = A. carotis anterior und A. cerebri media) sowie über die hintere Hirnarterie (A. cerebri posterior). Letztere geht aus der dem Hirnstamm anliegenden unpaarigen Basisarterie (A. basilaris) hervor. Die wird wiederum aus einer Vereinigung der Wirbelarterien (A. vertebrales) gebildet.
Aus diesen arteriellen Hauptgefäßen des Großhirns und ihren Verästelungen leiten sich für jede Großhirnhälfte drei Versorgungsgebiete ab. Die vordere Hirnarterie versorgt insbesondere etwa 2/3 des zur Mitte gerichteten Großhirnanteils mit der zugehörigen Mantelkante. Die hintere Hirnarterie versorgt das hintere Drittel dieser Innenfläche und den hinteren Pol des Großhirns. Die mittlere Hirnarterie versorgt den größten Teil des Großhirns und fast seine gesamte Außenseite inklusive des Schläfenlappens.
Zu diesen oberflächlichen Gefäßgebieten gehören über tiefer eindringende Gefäßäste versorgte, tiefer gelegene Großhirnbereiche. Sie lassen die Versorgungsgebiete keilförmig aussehen. Auch wenn diese Verteilung im Durchschnitt bei der Mehrheit der Menschen vorliegt, ist die Gefäßversorgung des Individuums doch variantenreich und kann vom hier beschriebenen abweichen.
Sinus und Hirnvenen
Die Venen des Großhirns verlaufen unabhängig von den Arterien. Die Sinus werden von der harten Hirnhaut gebildet. Sie liegen an den Rändern der Bindegewebsplatten (Falx cerebri und Tentorium cerebelli) oder in unmittelbarer Nähe zu bestimmten Schädelknochen.
Sichel- und scheitelförmig über dem Großhirn liegt der Sinus sagittalis superior. Parallel zu ihm in der Tiefe der Sinus sagittalis inferior. Beide sammeln das verbrauchte Blut des Gehirns aus kleinen Hirnvenolen und -venen und leiten es dem Sinus rectus zu. Dieser wiederum steht am Hinterhauptspol des Großhirns am Zusammenfluss der Blutleiter (Confluens sinuum) in Verbindung mit zwei zu beiden Seiten das Großhirn umlaufenden Sinus transversus und im Anschluss den S-förmigen Sinus sigmoideus. Aus diesen fließt das venöse Blut schließlich aus dem Schädel hinaus in die großen Venen des Halses und von dort über die oberen Hohlvenen ins Herz.
Erkrankungen des Großhirns und Defizite beim Schlaganfall
Als größter Teil des ZNS kann das Großhirn von zahlreichen neurologischen Erkrankungen betroffen sein. Angeborene Fehlbildungen sind seltener. Im Laufe des Lebens erworbene hingegen häufig. Zu letzteren gehören Krankheiten wie Alzheimer-Demenz, die Parkinsonkrankheit, Multiple Sklerose oder Epilepsie, aber auch unfallbedingte Schädigungen wie das Schädel-Hirn-Trauma.
Im Folgenden wird nur der Schlaganfall und seine unterschiedlichen Formen umrissen.
Hirnarterienverschlüsse und daraus folgende Defizite
Schlaganfälle sind kreislaufbedingte plötzliche Funktionsverluste des Gehirns durch eine Nicht- oder Unterversorgung mit Blut. Sie können unblutig (ischämisch) durch Verschluss eines Hirngefäßes als Hirninfarkt (ca. 80%) oder blutig (hämorrhagisch) durch das Platzen eines Blutgefäßes als Hirnblutung (ca. 20%) verursacht sein.
Hirninfarkt, vorderer Hirnkreislauf
Der plötzliche Verschluss der inneren Halsarterie (Karotis, A. carotis interna) führt zu einer Nicht- oder Unterversorgung des Gefäßgebiets der vorderen und mittleren Hirnarterien. Aber auch zwei weitere wichtige Blutgefäße sind betroffen: die Augenarterie (A. ophthalmica) und die A. choroidea anterior. Je nach Größe und (Ver)Lagerung des Blutgerinnsels, das das Gefäß verstopft, können auch nur eins oder mehrere dieser abhängigen Blutgefäße verschlossen sein.
Je größer das Blutgerinnsel und somit der verschlossene Arterienabschnitt ist, desto umfangreicher sind das nicht (ausreichend) mit Blut versorgte Hirngebiet und die Ausfallerscheinungen. Der/die erfahrene Neurologe/Neurologin kann an den plötzlichen Ausfallerscheinungen oft schon klinisch auf das betroffene Blutgefäß schließen.
Der Verschluss der A. ophthalmica führt zur Blindheit auf einem Auge.
Der Verschluss der A. choroidea anterior betrifft den hinteren Teil des engen Faserbündels in der inneren Kapsel und kann zu einer Halbseitenlähmung, einer halbseitigen Gefühlsstörung und dem Fehlen des halben Gesichtfelds führen.
Der wohl häufigste Gefäßverschluss im Gehirn, der Verschluss der mittleren Hirnarterie oder ihrer Aufzweigungen, führt typischerweise zu einer gegenseitigen gesichts- und armbetonten Halbseitenlähmung mit Gefühlsstörung. Zu einer Sprachstörung (Aphasie) kommt es, wenn die linke Großhirnhälfte betroffen ist. Die Vernachlässigung der Gegenseite (Neglect) mit Sprechstörung (Dysarthrie) und unter Umständen psychische Auffälligkeiten treten auf, wenn die rechte Großhirnhälfte betroffen ist.
Der Verschluss der vorderen Hirnarterie führt zu einer gegenseitigen beinbetonten Halbseitenlähmung und Gefühlsstörung.
Hirninfarkt, hinterer Hirnkreislauf
Der Verschluss der Hirnbasisarterie (A. basilaris) hat oft lebensbedrohliche Folgen, weil von ihr auch das Stammhirn versorgt wird. Dieses und das ebenfalls aus Ästen der Hirnbasisarterie und der sie speisenden Wirbelarterien versorgte Kleinhirn ist aber nicht Gegenstand dieses Artikels.
Ein Hirnbasisarterienverschluss betrifft auch die aus ihr abgehenden hinteren Hirnarterien, die je nach Blutgerinnselgröße einzeln oder beiderseits verschlossen sein können. Sie versorgen den hinteren und „inneren“ Teil des Großhirns. Es kann vorkommen, dass sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) aus dem Herzen oder aus einem vorgelagerten Gefäß löst (Embolus), sich dann an der Gabelungsstelle der Hirnbasisarterie in die beiden hinteren Hirnarterien aufteilt und beide hinteren Hirnarterien verschließt.
Der Verschluss der hinteren Hirnarterie führt typischerweise zu einem halbseitigen Verlust des Sichtfelds, Leseunfähigkeit und ggf. Gedächtnisstörungen.
Der beidseitige Verschluss ruft teilweise oder komplette kortikale Blindheit hervor. Betroffene sehen dann nichts, obwohl die Augen und die die Seheinflüsse leitenden Nerven(bahnen) intakt sind. Es kann sogar sein, dass die Blindheit nicht realisiert wird. Ein beidseitiger Verschluss der hinteren Hirnarterien verursacht meist auch Hirninfarkte im Zwischen- bzw. Mittelhirn und dadurch eine Bewusstseinsstörung.
Hirnblutung
Wenn statt eines Verschlusses ein Blutgefäß im Gehirn platzt und es zu einer Blutung ins Hirngewebe hinein (Hirnblutung, intrazerebrale Blutung) kommt, sind die daraus folgenden Ausfallerscheinungen nicht so scharf den Gefäßversorgungsgebieten zuzuordnen wie oben dargestellt.
Die Defizite sind nicht selten ausgeprägter und vielfältiger. Oft werden sie begleitet von Kopfschmerz und Übelkeit. Auch eine Bewusstseinsstörung kann sich entwickeln.
Bei starken Hirnblutungen kann das Blut sogar in die Nervenwasser-gefüllten Binnenräume (Ventrikel) des Großhirns eindringen (intraventrikuläre Blutung). Weil sich die Blutung ausdehnen und eine sie umgebende Schwellung des Hirngewebes verursachen kann, entwickelt sich bei dieser Schlaganfallform auch eher eine lebensbedrohliche Raumforderung mit Ducksteigerung im Schädel (intrakranieller Duck, ICP, Hirndruck).
Eine besondere Blutungsform im Schädel ist die Subarachnoidalblutung. Bei dieser Form des Schlaganfalls platzt meist eine (angeborene) Aussackung von Hirngefäßen (Aneurysma). Dann kann Blut unter hohem Druck in den Nervenwasser-gefüllten Raum um das Großhirn herum eindringen und zu zahlreichen Komplikationen führen. Zeichen dieser Blutungsform sind starker oder stärkster Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen, Nackensteifigkeit, neurologische Ausfälle und Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma.
Hirnvenen- und Sinusthrombose
Neben diesen Schlaganfällen des arteriellen Kreislaufs gibt es auch solche des venösen Systems des Großhirns. In diesen Venen oder auch den großen venösen Sammelbecken (Sinus) können sich ähnlich wie in den Beinvenen Gerinnsel (Thrombosen) bilden.
Durch diese Stauung im Blutabfluss können mitunter zusätzlich Stauungsblutungen ins Hirngewebe hinein entstehen. Symptome einer Hirnvenen- oder Sinusthombose sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Krampfanfälle (epileptische Anfälle). Die Entwicklung der Symptome ist aber oft schleichend und wechselnd, weshalb diese Hirnvenen- und Sinusthrombosen manchmal verzögert erkannt werden.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
Prof. Dr. med. Julian Bösel
Prof. Dr. med. Julian Bösel studierte von 1993 bis 2000 Medizin in Heidelberg und London mit Auslandsaufenthalten in Südafrika, Lateinamerika und den USA. Er spezialisierte sich von 2002 bis 2007 in Neurologie und experimenteller neurowissenschaftlicher Forschung über neuronale Hypoxie am Universitätsklinikum Charité Berlin. Von 2008 bis 2016 war er Oberarzt und Sektionsleiter für Akut- und Intensivneurologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Von 2017 bis 2022 war er Klinischer Direktor der Neurologie mit umfassendem Schlaganfallzentrum und Koordination des neuromuskulären Netzwerks am Klinikum Kassel, Campus Hospital der University of Southampton, Kassel. Derzeit ist er Adjunct Professor, Fakultät für Neurologie am Johns Hopkins University Hospital (USA) und 1. Vize-Präsident der Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI). Daneben hat er verschiedene andere Positionen und Mitgliedschaften in medizinischen Gesellschaften (z.B. DGN, DGNL, DSG, DIVI, NCS, ESO).