Ponsinfarkt ▷ Symptome, Diagnose, Behandlung und Prognose
In diesem Artikel:
Was ist die Pons?
Die Pons (deutsch: Brücke) ist ein Teil des Hirnstamms. Dieser umfasst neben der Pons auch das Mittelhirn sowie die Medulla oblongata, das verlängerte Rückenmark.
Alle drei Hirnanteile spielen eine wichtige Rolle in der Signalübertragung vom Großhirn zum Rückenmark.
Der Hirnstamm reguliert lebenswichtige Funktionen wie Herzfrequenz, Atmung und Körpertemperatur und ist wichtig für die Kontrolle unserer Motorik und unserer Augenbewegungen.1
Blutversorgung
Die Pons wird hauptsächlich über direkte Äste aus der Basilararterie (Arteria basilaris), die durch die Vereinigung der Vertebralarterien entsteht, mit Blut versorgt. Kleine Bereiche werden auch aus zwei Arterien gespeist, die sonst überwiegend das Kleinhirn versorgen: Die Arteria cerebelli anterior inferior und Arteria cerebelli superior.
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Wird die Blutversorgung der Pons behindert, beispielsweise durch ein Blutgerinnsel in einer Arterie, entsteht ein Hirninfarkt bzw. ischämischer Schlaganfall, der sogenannte Ponsinfarkt.2
Die Entstehung eines Ponsinfarktes lässt sich wie bei anderen Formen des Hirninfarktes erklären. Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen, Übergewicht, erhöhte Blutfettwerte u.a. können zur Arteriosklerose der kleinen Hirngefäße führen.3 Blutgerinnsel, die aus dem Herzen abgeschwemmt werden oder artherosklerotische Plaques, können einen Gefäßverschluss bewirken.
Der Ponsinfarkt
Ca. 5-7 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle finden im Bereich der Pons statt. Oftmals ist nicht allein die Pons betroffen, sondern auch umliegende Gebiete im Kleinhirn oder der Medulla oblongata.4
Auch im Bereich der Pons sind Infarkte (ca. 80%) deutlich häufiger als Blutungen (ca. 20%).
Symptome
Die Symptome, die durch einen Ponsinfarkt entstehen können, sind:
- Halbseitenlähmung (Hemiparese)
- Hirnnervenausfälle mit Auffälligkeiten der Augenbewegungen, Doppeltsehen
- Störungen des Gleichgewichts
- Sprechstörungen (Dysarthrie)
- Schluckstörung (Dysphagie)
- pathologisches Lachen und Weinen5
Eine Sonderform des Ponsinfarktes kann durch eine Basilaristhrombose entstehen. Der plötzlich auftretende Verschluss der Arteria basilaris, verursacht meist durch ein Blutgerinnsel, führt zu einer ausgedehnten Schädigung der Pons mit schweren klinischen Symptomen.
Die Basilararterie verzweigt sich in die hinteren Hirnarterien (Arteria cerebri posterior), die auch den Hinterhaupslappen (okzipitallappen) des Gehirns mit Blut versorgen.8 Dort ist die Sehzentrale lokalisiert, welche visuelle Eindrücke verarbeitet und bewusst macht.
Bei einer Basilaristhrombose kann somit die seltene “Seelenblindheit” (optische Agnosie) entstehen. Die betroffene Person ist dann unfähig, Gegenstände oder Gesichter zu erkennen, obwohl die Augen und Sehbahnen intakt sind.
Mögliche Symptome sind:
- Übelkeit, Erbrechen, Schwindel
- Bewusstseinsstörungen bis hin zu Koma, Lähmungserscheinungen der Extremitäten (halbseitig: Hemiparese, alle Extremitäten: Tetraparese)
- Sprechstörungen (Dysarthrie), Schluckstörung
- Augenbewegungsstörungen
- Koordinationsstörungen
- Atemstörungen
- Seelenblindheit (optische Agnosie)
Die Basilaristhrombose ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Die Prognose dieses Krankheitsbildes ist schlecht: unbehandelt sterben 90 Prozent der Betroffenen.
Hirninfarkte im Bereich der Pons mit sehr großer Ausdehnung können unter Umständen ein sogenanntes “Locked-in-Syndrom” bewirken (locked in, engl. für: eingeschlossen sein).
Hierbei handelt es sich um einen Zustand, in dem der Patient vollständig bei Bewusstsein ist, aber an allen Extremitäten gelähmt ist und sich sprachlich nicht mitteilen kann. Das Sprachverständnis sowie das Gehör und die geistigen Fähigkeiten sind dabei vollständig erhalten. Einzig die vertikalen Blickbewegungen (Blick nach unten und oben) sind erhalten. 6
Diagnose und Therapie
Diagnose und Therapie eines Ponsinfarktes entsprechen der Behandlung von Hirninfarkten an anderen Stellen des Gehirns. Bei geringstem Verdacht auf einen Schlaganfall muss der Notruf unter 112 gewählt werden.
Die Behandlung sollte auf einer Spezialstation für Schlaganfälle erfolgen, einer sogenannten Stroke Unit. Mittels Bildgebung des Gehirns (Computertomographie CT oder Kernspintomographie MRT) und spezieller Kontrastmittel gestützter Darstellung der hirnversorgenden Gefäße wird die Diagnose gestellt.7
Je nach Befund wird dann die Entscheidung für die geeignete Therapie getroffen.9 Dies kann zum einen eine Gerinnsel auflösende Therapie sein (Thrombolyse), die in der Regel innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn begonnen werden sollte. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass im Fall eines Hirnstamminfarkts diese Behandlung auch in einem Zeitfenster von bis zu 6 Stunden möglich ist.10,11
Zum anderen kann eine kathetergestützte Entfernung des Blutgerinnsels infrage kommen, die sogenannte mechanische Thrombektomie. Auch eine Kombination beider Verfahren ist möglich.
Die Entscheidung über die Art der Therapie ist immer eine individuelle und ist abhängig von der klinischen Symptomatik und den Ergebnissen der Diagnostik.7
Komplikationen und Prognose
Im Krankheitsverlauf von Ponsinfarkten können Komplikationen auftreten: Durch die Schluckstörung mit mangelnder Kontrolle des Schluckaktes kann es zu einer Aspiration kommen.
Dabei gelangen Flüssigkeiten oder auch Nahrungsbestandteile fälschlicherweise in die Luftröhre und damit in die Lunge statt durch die Speiseröhre in den Magen. Die Schluckstörung bewirkt, dass auch der Hustenreflex gestört ist und die Bestandteile aus der Lunge nicht mehr hochgehustet werden können. Folge ist eine Lungenentzündung, eine sogenannte Aspirationspneumonie.12
Ist die Schluckstörung sehr ausgeprägt und eine Nahrungsaufnahme auf “normalem Weg” nicht mehr möglich, kann die Anlage einer Magensonde durch die Nase oder die Bauchdecke erforderlich sein. Glücklicherweise ist die Prognose für eine Schluckstörung bei Ponsinfarkten gut, viele Patienten erholen sich wieder ausreichend gut, sodass eine Magensonde nicht dauerhaft nötig ist.13,14,15
Die Prognose ist abhängig von Größe und Schwere der Symptome. Die Mortalität von Ponsinfarkten liegt bei ca. 10 Prozent.16
Die Autorin dieses Artikels – Frau Dr. Christina Rückert – hat als Studienleiterin und Co-Autorin wesentlichen Beitrag zur internationalen und multizentrischen Studie zur Behandlung der Basilaristhrombose geleistet:Treatment and outcomes of acute basilar artery occlusion in the Basilar Artery International Cooperation Study (BASCIS): a prospective registry study. Lancet Neurology, Volume 8, Issue 8, August 2009, pp. 724-730, (9).
DOI: 10.1159/000073053
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Autorin
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach Schlaganfall. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
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- Pontine Infarction – Autoren: Malla, Gargya, Dinesh V. Jillella – Publikation: StatPearls – URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK554418/
- Lacunar Infarction and Small Vessel Disease: Pathology and Pathophysiology – Autoren: Caplan, Louis R. – Publikation: Journal of Stroke, 17.1 (2015), 2–6 – DOI: 10.5853/jos.2015.17.1.2
- Stroke Subtypes and Topographic Locations Associated with Neurological Deterioration in Acute Isolated Pontine Infarction – Autoren: Huang, Ruyue, Xia Zhang, Weili Chen, Jing Lin, Zhenxiao Chai, Xingyang Yi – Publikation: Journal of Stroke and Cerebrovascular Diseases: The Official Journal of National Stroke Association, 25.1 (2016), 206–13 – DOI: 10.1016/j.jstrokecerebrovasdis.2015.09.019
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- Progressive Deficit in Isolated Pontine Infarction: The Association with Etiological Subtype, Lesion Topography and Outcome – Autoren: Gökçal, Elif, Elvin Niftaliyev, Gözde Baran, Çiğdem Deniz, Talip Asil – Publikation: Acta Neurologica Belgica, 117.3 (2017), 649–54 – DOI: 10.1007/s13760-017-0827-2
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