Das A bis Z der Schlaganfall-Nachsorge ▷ Wissen
A wie Arztgespräche führen
Jeder dritte Patient in Deutschland versteht laut einer Studie die Informationen im Arztgespräch nicht. Jeder Fünfte kann sich nicht mehr an alle Details des Gesprächs erinnern. Doch gerade bei Schlaganfall-PatientInnen stellen die Absprachen mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten die Basis für eine bestmögliche Genesung dar.
Wichtigster Tipp: Schamgefühl ist fehl am Platz. Wer also beim Arzttermin wichtige Inhalte im Gespräch nicht versteht, sollte unbedingt nachfragen. Es ist ratsam, sich auf den Arztbesuch gut vorzubereiten und sich während des Termins Notizen zu machen.
Am Ende des Arztgesprächs bietet es sich an, das Besprochene noch einmal zusammenzufassen. So hat auch der Arzt die Gewissheit, dass seine Erklärungen und Empfehlungen angekommen sind. Wer jedoch beispielsweise mit einem Therapievorschlag seines Arztes nicht einverstanden ist, sollte das unbedingt ansprechen.
B wie Begleitung suchen
Eine Erkrankung wie der Schlaganfall bedeutet einen schweren Einschnitt in das eigene Leben, den man ohne begleitende Hilfe kaum bewältigen kann. Viele Betroffene leiden wegen der Folgen des Schlaganfalls an Depressionen und fühlen sich alleingelassen. Eine Gesprächstherapie bei einem Psychiater oder Psychologen kann das psychische Empfinden sehr positiv beeinflussen.
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In zahlreichen Selbsthilfegruppen deutschlandweit können sich Betroffene untereinander austauschen. Wichtig ist dabei, Angehörige einzubeziehen und offen über die eigenen Gedanken, Ängste und Selbstzweifel zu sprechen. Persönliche Begleitung können die Schlaganfall-Lotsen oder Schlaganfall-Helfer bieten. Sie stehen den Betroffen über einen längeren Zeitraum zur Seite und unterstützen sie bei allen Fragen.
G wie Gesundheitstagebuch führen
Wie geht es mir heute? Habe ich Schmerzen? Wie habe ich mich ernährt und wie viel habe ich mich bewegt? All das sind Fragen, die schon beim Aufschreiben das Bewusstsein für unsere Gesundheit fördern.
Für den Arzt ist ein Gesundheitstagebuch ein wertvolles Mittel, um die Therapie zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Vielleicht hat sich das Körpergewicht “heimlich” nach oben oder unten entwickelt? Sind die Spaziergänge zu kurz gekommen oder wurden die Medikamente vergessen? All das kann in so einem Tagebuch festgehalten werden.
L wie Lebensstil anpassen
Solange man gesund ist, findet das Thema gesunder Lebensstil häufiger in der Theorie statt als in der Praxis. Im Falle eines Schlaganfalls wird den Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig bewusst, wie viel man mit wenig erreichen kann. Immerhin könnten zwei Drittel aller Schlaganfälle bei gesunder Lebensweise vermieden werden.
Mehr noch: 90 Prozent aller Schlaganfälle werden durch zehn behandelbare Risikofaktoren verursacht. Die wichtigsten sind: Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen, Vorhofflimmern, Nikotin und Alkohol, Übergewicht und mangelnde Bewegung.
Schöner Nebeneffekt bei einem gesunden Lebensstil: Man vermeidet auch andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie den Herzinfarkt, aber auch Diabetes mellitus.
M wie Medikamente einnehmen
Dass medikamentöse Therapiepläne eingehalten werden, mag für viele Menschen selbstverständlich sein. Allerdings tun viele Schlaganfall-PatientInnen genau das nicht und riskieren dadurch ihr Leben. Man sagt auch, dass sie sich nicht “therapietreu bzw. adhärent” verhalten.
Ein Grund: Oft nehmen PatientInnen die Verordnung von Medikamenten hin, ohne zu verstehen, was sie eigentlich einnehmen. Um therapietreu zu sein und damit die besten Voraussetzungen für Behandlungserfolge zu schaffen, sollte die Therapie jedoch als eine gemeinsame Vereinbarung zwischen Arzt und Patient verstanden werden. Für Medikamente bedeutet das, dass der Patient ihre Bedeutung versteht und vom Arzt ihren Sinn vermittelt bekommt.
Tipp für den Alltag: Da die pünktliche und konsequente Einnahme gerade bei mehreren Medikamenten zur Herausforderung werden kann, sind kleine Medikamentenboxen für die Organisation der Wochenration hilfreich.
P wie Psychotherapie in Anspruch nehmen
Dass ein Schlaganfall die Persönlichkeit der Betroffenen verändert, ist keine Seltenheit. Fast jeder Dritte leidet nach einem Schlaganfall an Depressionen, jeder Fünfte bekommt Angstzustände.
Kein Wunder: Viele Schlaganfall-PatientInnen fühlen sich ausgeschlossen, weil sie nicht mehr ihren gewohnten Aktivitäten nachgehen können. Viele haben Angst vor der Zukunft, weil sie ihr Leben umgestalten müssen und die Gefahr eines neuen Schlaganfalls zu ihrem ständigen Begleiter wird.
Ein Schlaganfall verändert das Gehirn und daher ist es ganz normal, dass sich damit auch die Psyche verändert. Niemand sollte sich also scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
R wie Rehabilitation in Anspruch nehmen
Da sich unser Gehirn erfreulicherweise bis zu einem gewissen Grad selbst regenerieren kann, können Funktionsverluste nach einem Schlaganfall durch intensives Training oft kompensiert werden.
Genau darum geht es in der Rehabilitation (Reha). Dabei steht den PatientInnen ein großes Team aus Ärzten, Psychologen, Neuropsychologen, aus Physio- und Ergotherapeuten sowie aus Sprach- und Schlucktherapeuten zur Verfügung. Sie erstellen individuelle, auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten zugeschnittene Rehabilitationspläne.
Nach der sogenannten Frührehabilitation folgt die weiterführende Rehabilitation. In diesen beiden Phasen geht es darum, einerseits elementare Fähigkeiten wie Atmen und Schlucken wiederzuerlangen und darauf aufbauend an Fähigkeiten wie Gehen und Sprechen zu arbeiten.
Auch nach der Entlassung aus der Reha gibt es Angebote, um im Alltag weitere Unterstützung zu bekommen. Der behandelnde Arzt und die Krankenkassen stellen dafür genauere Informationen bereit.
W wie Wissen aneignen
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich die Gesundheitskompetenz der deutschen Bevölkerung in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat.
58,8 Prozent verfügen derzeit über eine geringe Gesundheitskompetenz. Doch je mehr Betroffene über das Leben nach einem Schlaganfall und über Gesundheit im Alltag lernen, desto mehr Verständnis und Selbstkompetenz entwickeln sie.
Zusammenhänge zu verstehen und zu wissen, was trotz Einschränkungen machbar ist, hilft ungemein, eigenständig Wege zu erschließen, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und auf Augenhöhe mit Ärzten und Therapeuten zu kommunizieren.
Z wie Zuversicht… und Zeit
Eine Studie der University of Texas hat gezeigt, dass Optimismus nach einem Schlaganfall die Genesung nachweislich unterstützt. Zuversicht führte drei Monate nach dem Schlaganfall zu weniger stark ausgeprägten motorischen Einschränkungen und niedrigeren Entzündungswerten. Eine optimistische Einstellung stellt demnach einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die nachhaltige Genesung dar.
Leichter gesagt als getan, aber nur aus einer positiven Atmosphäre heraus können Betroffene Hoffnung, Mut und Kraft schöpfen, sich von Erwartungsdruck lösen und in ihrem ganz eigenen Tempo den Weg zurück in ein möglichst uneingeschränktes Leben gestalten.
Zeit spielt eine besonders große Rolle in der Nachsorge. Das gilt für die Fortschritte der Genesung, aber auch für alle Therapeuten und Ärzte. Zeit bedeutet auch verständnisvolle Geduld, die nur dann aufgebracht werden kann, wenn das Problem Schlaganfall in vielen Einzelheiten verstanden wird.
Sie haben eine Frage zur Schlaganfall-Nachsorge? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]